Full text: Fiktionen in der Mathematik

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Grundlagen der Yaihingerschen Fiktionslehre 
Nach der Auffassung mancher Philosophen ist das Wirk 
liche durch räumliche und zeitliche Ordnung charakterisiert. 
M. Schlick gibt zu, daß einem großen Gebiet des Wirklichen 
außer der zeitlichen Bestimmtheit auch die Bestimmung räum 
licher Ordnung zukommt, aber letztere erscheint ihm nicht als 
notwendiges Kriterium. Er sagt: 
„So können wir nunmehr den Satz festhalten, daß alles, was 
in Leben und Wissenschaft als wirklich anerkannt wird, 
charakterisiert ist durch seine Zeitlichkeit, durch seinen festen 
Platz in der allgemeinen zeitlichen Ordnung der realen Dinge 
und Vorgänge. Kant hat diese Wahrheit (...) in die Worte 
gefaßt: Das Schema der Wirklichkeit ist das Dasein in einer 
bestimmten Zeit“ 114 ). 
M. Schlick meint, sein Wirklichkeitskriterium erfülle auch 
die Bedingung der Verknüpfung alles Realen mit dem un 
mittelbar Gegebenen, in dem die Wurzel des Wirklichkeits 
begriffs zu sehen sei. 
B. Es gibt nun aber auch verschiedene philosophische Rich 
tungen, die dieser Wirklichkeitsabgrenzung, wonach das zeit 
lich Bestimmte sich mit dem Wirklichen deckt, nicht zu 
stimmen; den einen erscheint dieser Wirklichkeitsbegriff zu 
weit, so vor allem den positivistischen Immanenzphilosophen, 
denn das zeitlich Bestimmte reicht weit über das unmittelbar 
Gegebene hinaus, den anderen ist dieser Wirklichkeitsbegriff 
zu eng. M. Schlick glaubt, daß es sich hier um eine philo 
sophische Richtung handle, die seit Kant überwunden sei. Die 
Meinung, als ob es sich in der Philosophie um Entdeckung 
neuer Wirklichkeiten handeln könne, sei durch Kants Be 
kämpfung der alten Metaphysik erledigt. 
Daß auch die Neu-Kantianer der Marburger Schule dem 
Schlickschen Wirklichkeitskriterium nicht zustimmen werden, 
geht schon daraus hervor, daß M. Schlick die Möglichkeit 
einer rein logischen Definition des Wirklichen bestreitet, 
während nach Cohen, Natorp und ihren Anhängern die Wirk 
lichkeit Denkbestimmung, Leistung reinen Denkens sein soll.
	        
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