Grundlagen der Vaihing ersehen Fiktionslehre
B etsch.
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Urteilen überhaupt ist nicht dasselbe; eidetische Erkenntnis
hat nicht in allen ihren Sätzen Wesen zu „Gegenständen —
worüber“; Wesen können intuitiv bewußt sein, ohne daß sie
zu „Gegenständen — worüber“ werden. Es ist deshalb zu
unterscheiden Urteilen über Wesen und Urteilen über In
dividuelles, aber rein als Einzelheit der Wesen im Modus des
Überhaupt 120 ); so urteilt man in der Geometrie nicht über das
Eidos Gerade, Winkel,..., sondern über Gerade, Winkel über
haupt „als solche“. Solche universellen Urteile haben den
Charakter der Wesens allgemeinheit, der reinen oder stren
gen, schlechthin unbedingten Allgemeinheit.
Wesens allgemeinheit und Wesensnotwendigkeit aber sind
Korrelate; ein Urteilsbewußtsein, in dem ein Sachverhalt als
Besonderung einer eidetischen Allgemeinheit bewußt ist, heißt
ein apodiktisches; das Urteil selbst, der Satz, apodiktische
Folge des allgemeinen, auf den er bezogen ist.
Wichtig ist nun die Verbindung des eidetischen Urteilens
über Individuelles überhaupt mit Daseinssetzung von Indi
viduellem. Die Wesens allgemeinheit wird auf ein als daseiend
gesetztes Individuelles übertragen, so bei den Anwendungen
geometrischer Wahrheiten auf Fälle der Natur. Der als wirk
lich gesetzte Sachverhalt ist dann Tatsache, sofern er indi
vidueller Wirklichkeitsverhalt ist; er ist aber eidetische Not
wendigkeit, sofern er Vereinzelung einer Wesensallgemeinheit
ist. Das zwingt zur Unterscheidung zwischen der unbeschränk
ten Allgemeinheit der Naturgesetze und der Wesensallgemein
heit.
Der Zusammenhang von individuellem Gegenstand und
Wesen begründet eine entsprechende Aufeinanderbeziehung
von Tatsachenwissenschaft und Wesenswissenschaft. Es gibt
aber auch reine Wesenswissenschaften, wie reine
Logik und reine Mathematik: „Sie sind durchaus, nach allen
ihren Denkschritten, rein von Tatsachensetzungen; in ihnen
kann keine Erfahrung als Erfahrung, d, i. als Wirklichkeit,
als Dasein erfassendes bzw. setzendes Bewußtsein, die Funk
tion der Begründung übernehmen“ 121 ). Der Naturforscher, der