Full text: Fiktionen in der Mathematik

Grundlagen der Y a i h i n g e r s c h e n F i k t i o n s 1 e h r e 
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verhalte vorschreibt. Das unmittelbare ,Sehen', nicht bloß 
das sinnliche, erfahrende Sehen, sondern das Sehen überhaupt 
als originär gebendes Bewußtsein welcher Art auch immer, ist 
die letzte Rechtsquelle aller vernünftigen Behauptungen“ 123 ). 
Dem Idealismus macht Husserl den Vorwurf, daß er 
den Begriff des „Einsehens“ mißverstanden habe, wenn er von 
Evidenz g e f ü h 1 rede. Bezeichnete man Husserl als plato- 
nisierenden Realisten, so betont er dagegen, daß man die Auf 
fassung von Ideen als Gegenständen und Wirklichkeiten nur 
dann platonische Hypostasierung nennen könne, wenn man 
Gegenstand und Reales, Wirklichkeit und reale Wirklichkeit 
gleichsetze. Dies ist aber nach seiner Ansicht falsch. 
Nennt man Ideen und Wesen „Begriffe“, so stimmt Husserl 
zu, falls man darunter eben „Wesen“ versteht; wenn man aber 
unter Begriffen „psychische Gebilde“, „Produkte der Abstrak 
tion“ versteht, so lehnt er dies scharf ab. 
Wie begründet nun Husserl seinen Standpunkt? Er geht 
aus von der natürlichen Einstellung, die er so 
charakterisiert: Ich finde beständig vorhanden als mein 
Gegenüber die eine raumzeitliche Wirklichkeit, der ich selbst 
zugehöre. Die Wirklichkeit finde ich als daseiende vor und 
nehme sie, wie sie sich mir gibt, auch als daseiende hin. „Die“ 
Welt ist als Wirklichkeit immer da, sie ist höchstens hier oder 
dort „anders“ als ich vermeinte; sie aber immer umfassender, 
zuverlässiger, vollkommener zu erkennen, ist Ziel der Wissen 
schaft der natürlichen Einstellung 124 ). 
Diese natürliche Einstellung soll nun radikal geändert wer 
den; es soll zwar an der Thesis der natürlichen Einstellung 
nichts preisgegeben, die Überzeugung nicht verändert werden, 
aber sie soll außer Aktion gesetzt, gleichsam eingeklammert 
werden; „die Thesis ist Erlebnis, wir machen von ihr aber 
keinen Gebrauch“ 125 ), Was bleibt dann übrig, wenn die ganze 
Welt, eingerechnet uns selbst mit allem cogitare, ausgeschaltet 
ist? Ist es die Welt des Eidos, irgendeine Wesenssphäre, etwa 
die der Zahl, die ja von der Einklammerung nicht betroffen 
wird? Husserl sagt, daß das Bewußtsein, das in sich selbst
	        
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