Full text: Fiktionen in der Mathematik

Zur Theorie der Fiktionen 
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selbst, noch mit den vorher schon bewiesenen 
Sätzen in Widerspruch steht“ 131 ). 
In ganz ähnlicher Weise äußert sich M. Schlick 132 ): „Be 
hauptet ein Urteil die Existenz eines Begriffes, so bedeutet das 
weiter nichts als: der Begriff enthält keinen Widerspruch. Der 
Mathematiker z. B. hat die ,Existenz* eines Objektes seiner 
Wissenschaft bewiesen, sobald er gezeigt hat, daß es wider 
spruchslos definiert ist. Dem mathematischen Begriff kommt 
kein anderes ,Sein‘ zu als dies; darüber darf nicht der ge 
ringste Zweifel bestehen. Dasselbe gilt für alle reinen Be 
griffe ...“ „Reine Begriffe nämlich sind nur solche, die durch 
implizite Definitionen bestimmt sind, und diese unterliegen 
keiner andern Bedingung als der Widerspruchslosigkeit...“ 
„Die Existenz eines Begriffes bedeutet... das Bestehen einer 
gewissen Beziehung zwischen den ihn definierendenPostu- 
laten.“ 
Das Wort Existenz hat also, wenn es sich um ein Objekt der 
reinen Mathematik handelt, nicht denselben Sinn, wie wenn 
man es in Beziehung auf einen materiellen Gegenstand an 
wendet. 
Mit dieser Erklärung der mathematischen Existenz tauchen 
allerdings wieder neue Fragen auf, deren Beantwortung 
schwierig und keineswegs eindeutig ist. Die Zahlen sind freie 
Schöpfungen des menschlichen Geistes, sagt R. Dede- 
kind 133 ); kann der Verstand nun bei den mathematischen 
Definitionen vollkommen willkürlich verfahren, abgesehen von 
der angegebenen Schranke, der Vermeidung von Widersprü 
chen; oder liegen außerdem noch Beschränkungen anderer 
Art vor? 
Wie kann man sich überhaupt vor Widersprüchen sichern, 
und wie kann man bei einer vorgelegten Definition oder einem 
System von solchen die Widerspruchslosigkeit nachweisen? 
Mit diesen Fragen werden wir uns im zweiten Teil bei den 
mathematischen Untersuchungen weiter befassen müssen. Zu 
der ersten Frage meint H. Poincare 134 ): „Der Verstand hat die 
Fähigkeit, Symbole zu schaffen, und dadurch konstruiert er
	        
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