Full text: Fiktionen in der Mathematik

Grundlagen der Yaihingerschen Fiktionslehre 
steme sind Perspektiven. „Jede dieser Perspektiven 
besitzt nach innen systematische Konsequenz, so willkürlich 
auch der Ausgangspunkt zuweilen sein mag, keine der Per 
spektiven darf mit dem Anspruch auf absolute Gültigkeit auf- 
treten. Weder die biologische Erkenntnistheorie noch das Ich 
als körperliche oder seelische Einheit, noch das System der 
sog. apriorischen Grundbegriffe darf dogmatisch oder absolut 
genommen werden.“ 
Dieser Perspektivismus kommt besonders stark bei Fr. 
Nietzsche 144 ) zum Ausdruck. 
W. del Negro stellt zwei Bedeutungen des Wahrheits 
begriffs bei Nietzsche fest, die gewöhnliche, für die Wahrheit 
und Täuschung Gegensätze sind, und die biologische, wonach 
Wahrheiten die größten Illusionen sind. Von Erkenntnis abso 
luter Wahrheit kann nicht die Rede sein; Feststellung des 
Tatsächlichen ist unmöglich, es gibt nach Nietzsche nur Inter 
pretationen von perspektivischem Charakter. Nietzsche hat 
zwar das Vorhandensein einer wirklichen Welt angenommen, 
aber Erkenntnis derselben erklärte er für unmöglich. Unsere 
Erkenntnis ist immer relativ — „Wahrheit für mich“ — nicht 
„Wahrheit an sich“. „Erkenntnis ist ein System willkürlicher 
Konventionen fiktiven Charakters — aber dieser Ursprung ist 
vom Menschen vergessen, so daß er unbewußt lügt und durch 
i diese Unbewußtheit zum Gefühl der Wahrheit kommt.“ Ab 
solute Wahrheit gibt es höchstens in den Dingen, die der 
Mensch erfindet, z. B. in den Zahlen. 
„Wahrheit heißt: für die Existenz des Menschen zweck 
mäßig ... woran ich zugrunde gehe, das ist für mich nicht 
wahr, d. h. es ist eine falsche Relation meines Wesens zu 
andern Dingen. Denn es gibt nur individuelle Wahrheiten — 
eine absolute Relation ist Unsinn.“ Die konventionalistische 
Einstellung bringt W. del Negro 145 ) scharf zum Ausdruck, 
wenn er sagt: Wir aber stellen der Erkenntnistheorie nicht 
mehr die Aufgabe, ihren Gegenstand, das Erkennen, an irgend 
einem, außerhalb der Erkenntnis liegenden Maßstab messen 
zu wollen, vielmehr die, zunächst einmal auf dem Wege will- 
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