Full text: Arithmetik (1. Teil, 1. Band)

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I. Kapitel. Die natürlichen Zahlen. 
zum vollen Verständnis der indischen Schreibweise ist aber schon 
eine gewisse Kenntnis arithmetischer Operationen erforderlich. Der 
Wunsch, die aus praktischen Bedürfnissen hervorgehenden Rechnungen 
mit den dekadischen Zahlen möglichst einfach und vorteilhaft aus 
zuführen, hat wohl den ersten Anstoß zur Aufsuchung arithmetischer 
Regeln geliefert. 1 ) Wir werden deshalb zunächst die einfachsten 
Rechenoperationen und ihre Gesetze für die eigentlich vorstellbaren 
Zahlen 2 ) entwickeln und erst daun (in § 10) genauer auf die syste 
matischen, insbesondere die dekadischen, Zahlen eingehen. 
Will man in einer Aussage den Wert einer Zahl unbestimmt 
lassen, sei es, daß die Aussage für jede beliebige Zahl gilt, sei es, 
daß man die Zahl noch nicht kennt, für welche sie richtig ist, so be 
nutzt man als Zahlzeichen einen Buchstaben, wobei aber während 
einer Rechnung derselbe Buchstabe immer dieselbe Zahl bedeuten 
soll. 3 ) Im ersten Kapitel wird unter einer Zahl im allgemeinen nur 
eine natürliche Zahl verstanden; die hier verwendeten Buchstaben 
sollen also, wenn nicht das Gegenteil ausdrücklich gesagt ist, auch 
nur solche symbolisieren. 
§ 2. Vergleichung der Zahlen. 
Jeder Vielheit A, d. h. jeder Menge von Objekten, von deren be 
sonderer Natur wir gänzlich absehen, entspricht eine, aber auch nur eine 
bestimmte Zahl a. Zwei solche Vielheiten A und JB, deren Anzahlen 
a und 6 sind, nennen wir gleichzahlig oder kürzer auch gleich, und 
wir schreiben a = & 4 ), falls beiden dieselbe Zahl zukommt, a und h 
1) M. Cant or (Vorlesungen I, S. 6) drückt diese Tatsache mit den Worten 
aus, „daß zur Zeit, als die meisten Zahlwörter erfunden wurden, der Mensch von 
dem einfachsten Zählen bereits zum Rechnen fortgeschritten war“. 
2) Die Eins eingeschlossen; das Rechnen mit Null soll erst in § 10, wo 
wir die Null notwendig gebrauchen, erörtert werden. 
3) Einzelne Spuren einer Bezeichnung unbestimmter Zahlen durch Buch 
staben finden sich bereits bei den Griechen (Aristoteles, Pappus, Diophantus) und 
bei den Indern. Durchgehend hat aber zuerst der Dominikaner-General Jordanus 
Nemorarius (f 1237) in seiner Arithmetik mit Buchstaben gerechnet. Es fehlen 
ihm aber noch Zeichen für die Rechenoperationen und auch das Gleichheits 
zeichen, so daß seine Entwicklungen der Durchsichtigkeit ermangeln; man könnte 
ihn sonst, sagt Cantor (Vorlesungen II, S. 62), den unmittelbaren Vater der 
späteren Buchstabenrechnung nennen, als welchen man gewöhnlich den franzö 
sischen Algebraiker François Viète (In artem analyticam isagoge 1591) bezeichnet. 
4) Das Zeichen „=“ findet sich zuerst bei R. Recorde („The whetstone of 
witte“, London 1557), welcher es gewählt hat, „weil nichts einander gleich sein 
kann als zwei kleine parallele Striche“. Diophant benutzte den Anfangsbuch 
staben, arabische Mathematiker den Endbuchstaben des „gleich“ bedeutenden 
Wortes, Viète bediente sich des lateinischen Zeitworts „acquare“, aus dessen
	        
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