§ 7 D. Gesetz der großen Zahlen.
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Auf dem Gesetz der großen Zahlen beruht die praktische Be
deutung jeder Wahrscheinlichkeitshestimmung. Auch derjenige, welcher
von dem genauen Inhalt dieses Satzes keine klare Vorstellung besitzt,
verbindet mit der Aussage, einem Ereignis komme die Wahrschein
lichkeit -i- zu, vor allen Dingen die Meinung, daß bei einer sehr
großen Zahl von Versuchen das Ereignis etwa in dem sechsten Teil
aller Fälle eintreffen werde. So stützt man sich auf diesen Satz,
wenn man für ein Glücksspiel den Einsatz berechnet, den ein Spieler
zu entrichten hat, falls keine der Parteien übervorteilt werden soll.
Verpflichtet sich ein Unternehmer, jedem, der beim Werfen eines
Würfels eine Eins erzielt, a Mark zu zahlen, und wird das Spiel eine
sehr große Anzahl (n) von Malen ausgeführt, so hat nach dem
Bernoullischen Satz der Unternehmer mit einer Wahrscheinlichkeit,
die dem Werte 1 um so näher kommt, je größer n wird, im ganzen
eine sich von beliebig wenig unterscheidende Summe auszu
zahlen. Wenn der Unternehmer weder verdienen noch verlieren will,
so müssen also bei den n Spielen auch |-wa Mark eingezahlt werden,
bei jedem einzelnen Spiel daher ya Mark, und allgemein, wenn ein
Spieler beim Eintreten eines Ereignisses, dessen Wahrscheinlichkeit w be
trägt, a Mark erhalten soll, so hat er aw Mark als Einsatz zu ent
richten. Dieses Produkt aw aus dem zu erwartenden Betrage und
der Wahrscheinlichkeit des Ereignisses, bei dessen Eintreffen die
Summe a gezahlt wird, nennt man die „mathematische Erwar
tung“ des Spielers. Dieser Begriff der mathematischen Erwartung
ist nicht nur bei Glücksspielen, sondern vor allem auch in dem Ver
sicherungswesen von großer Wichtigkeit.
Andererseits bedient man sich des Bernoullischen Satzes, um
theoretisch nicht bestimmbare Wahrscheinlichkeiten gewisser kompli
zierter Erscheinungen des praktischen Lebens aus einer großen Zahl
von Versuchen oder Beobachtungen näheruugsweise zu ermitteln.
Wenn bei einer großen Zahl (n) von Menschen ein bestimmtes Er
eignis, für dessen Eintreten die Wahrscheinlichkeit w sei, in m Fällen
beobachtet worden ist, so weicht nach dem Bernoullischen Theorem
m nur wenig von mv ab, w also nur wenig von —, und die Wahr
scheinlichkeit, daß der Unterschied eine gewisse Grenze nicht über
schreitet, nähert sich dem Werte 1 immer mehr, je größer n wird.
In den sogenannten Sterbetafeln sind die Anzahlen der Personen
zusammengestellt, die von einer bestimmten Anzahl, z. B. 100 000,
gleichzeitig Geborener nach 1, nach 2, nach 3 usw. Jahren sich noch
am Leben befinden. Entnehmen wir einer solchen Tabelle, daß von