Full text: Ziele und Resultate der neueren mathematisch-historischen Forschung

Gleiche gilt für Gerbert; ja es lässt sich sogar behaupten, dass 
die ohne Zweifel höchst mannigfaltigen Kunstgriffe, welche der 
in den Bauhütten und Kunstwerkstätten des Mittelalters ge 
pflegten empirischen Geometrie zu Grunde lagen, theilweiso we 
nigstens ein weit höheres Alter besassen, als man a priori viel 
leicht annehraen möchte 8 ). Mit dem Ausgange des fünfzehnten 
Jahrhunderts schliesst Cantor ab, obschon auch noch im darauf 
folgenden einzelne Belege für seine Behauptungen sich hätten 
gewinnen lassen *). 
Für die Culturgeschichte sind jene noch wenig aufgehellten 
Perioden von besonderer Wichtigkeit; das geht mit zwingender 
Gewalt aus Cantor’s Schlussworten 1J ) hervor; „Dass über 
haupt irgend etwas von Geometrie in die wissenschaftliche Bar 
barei des frühesten Mittelalters hinüber sich retten konnte, das 
ist das unschuldige Verdienst der römischen Agrimensoron.“ 
1) A. v. Humboldt, Kosmos, 2. Tlieil, S. 215. 
2) Eitschl, Die Vermessung des römischen Reiches unter Augustus, 
die Weltkarte des Agrippa und die Cosmographie des sogenannten Aethi- 
cus, Rhein. Mus. f. Philol. Neue Folge, 1. Jahrg. S. 481 ff. 
3) Cantor, Die Agrimensoren etc, S. 73. 
4) Hankel, Zur Gosch, d. Math. S. 298. 
5) 0. Müller, Die Etrusker, 2. Band, Breslau 1828. S. 151 ff. 
6) Cantor, S. 86. 
7) Ibid. S. 139 ff. 
8) Ibid. S. 173. 
9) Köbel, Geometrey, von künstlichen Feldmesseu und Absehen ete., 
Frankfurt a./M. 1616. 
10) Schwenter, Deliciae physico-mathcmaticac, Nürnberg 1636. S. 48. 
11) Cantor, S. 185. 
*) Die ägyptische Näherungsformel für’s Viereck 
a l + a 2 bj + b2 
2 ‘ ~'2 
klingt, wenn wir nicht irren, erst im Jahre 1616 definitiv aus. In diesem 
Jahre erschien von einem gewissen Jacob Köbel 0 ) ein Lehrbuch der Geo 
metrie, welches diese nebst anderen falschen Regeln enthielt, von den un 
wissenden Feldmessern (ganz ä la Rom) natürlich mit Vorliebe benützt und 
eben deshalb von denkenden Geometern reichlich mit Anathemen bedacht 
wurde. Schwenter z. B. hielt geradezu das Buch für apokryph, er zwei 
felt i°), „ob es Jacob Köbel, so einen guten Geometram gegeben, ausgehen 
lassen.“ Aus Köbel schrieben dann Andere wieder ab. 
Günther, Ziele u. ^Resultate der math.-histor. Forschung. g
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.