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In dor That kann es kaum den Mathematikern als solchen
zugeschrieben werden, dass der astrologischen Fluth seit ein
einhalb Jahrhunderten eine progressive Ebbe gefolgt ist. Wohl
gab es unter ihnen erleuchtete Männer genug, allein sie hatten
grossontheils das alte Vorurtheil zu fest eingesogen und besassen
zu wenig philosophischen Blick, um dasselbe in seiner ganzen
Nichtigkeit hervortreten zu sehen. Einzelheiten verwarfen sie
zum Theile; so griff Simon Marius, der bekannte Entdecker
der Jupiter-Satelliten, mit Energie die Aufstellungen des Ptole-
mäus an 10 ) und Sturm räumte mit der eigentlichen Nativitäts-
Stellerei auf 11 ), aber erst die fortschreitende Erkenntniss über
haupt, das Erstarken einer rationalistischen Naturauffassung, ver
mochten hier definitiv Wandel zu schaffen.
Die Geschichte der Astrologie verdient nicht blos vom
Standpunkte der Sittengeschichte, sondern auch von mathema
tisch-historischer Seite aus ernstlichst beachtet zu werden. Für
ihre Bearbeitung im letzteren Sinne einige Anhaltspunkte zu
liefern ist der Zweck vorstehender Zeilen.
1) Nägelsbach, Die nachhomerische Theologie, Nürnberg 1857.
2) Bellantius, Defensio Astrologiae contra Joannem Picum Mirando-
lanum, Yenetiis 1502.
8) Schoner, De Judiciis Nativitatum libri tres, Norimbergae 1545,
Blatt 78 ff.
4) Eegiomontanus, Vom natürlichen Einfluss der Gestirne, Strass
burg 1528. ,
Idem, Vom Nutzen der Astrologie in der Medicin,' ibid. 1528.
5) Doppelmayr, historische Nachricht von den Nürnbergischen Mathe
maticis und Künstlern, Nürnberg 1780. S. 14.
6) Bost, Astronomisches Handbuch, ed. Kordenbusch, Nürnberg 1771.
S. 138.
7) Kästner, Gesch. d. Math. 4. Band, Göttingen 1800. S, 367 ff.
8) Id., Anfangsgründe der angewandten Mathematik, 2. Theil, Göttingen
1781. S. 311.
9) Günther, Verm. Untersuch, etc. S. 189.
10) Simonis Marii gründliche Widerlegung der Positions-Circkei
Claudii Ptolemaei, von Philipp Eckebrechtcn edirt, Franckfurt a. M. 1628.
11) J. C. Sturm, Tractatus de Astrologiae judiciariae vanitate, Ulmii
1722.