Full text: Ziele und Resultate der neueren mathematisch-historischen Forschung

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stehung verdanken konnte. Und nicht ganz Unrecht wird man 
dieser Auffassung geben können, wenn sich der Lehrer wirklich 
darauf beschränkt, das isolirte Theorem eingeschnürt in die 
spanischen Stiefeln des euclid’schen Systèmes den jungen Gei 
stern vorzuführen. Wie anders jetzt, wenn man den didaktisch 
richtigen genetischen Weg betritt und, soweit diess in der Schule 
möglich, die Thatsachen vor den Augen des Lernenden geschicht 
lich sich aufbauen lässt. Um bei dem gewählten Beispiele zu 
bleiben, so wird man hier den Nachweis führen, wie theils auf 
algebraische Yersuche der Addition von Zahlenreihen, theils auf 
einfache und in die Augen springende Flächensätze sich stützend 
der berühmte Philosoph durch einen ganz naturgemässen Denk- 
process auf eine Wahrheit hingeführt werden musste, deren Be 
weis a posteriori freilich auf solchen Entwickelungsgang nicht 
schliessen lässt. Und ebenso in anderen Fällen. Haben Eucli 
des and Archimedes durch Einzwängung der von ihnen aufxoteö. 
anderem Wege gefundenen Resultate in einen strengen oder, 
wie Hankel sich ausdrückt, „keuschen“ Formalismus das päda 
gogische Princip der Leichtverständlichkeit ihren philosophischen 
Ueberzeugungen zum Opfer gebracht, so besteht doch dieser 
Grund keinenfalls noch heutzutage; dem wissenschaftlichen 
Lehrer der Jetztzeit erwächst vielmehr die Pflicht, an der Hand 
historischer Forschung in die geistige Werkstatt jener Männer 
einzudringen und die natürlichen Schlussketten aufzusuchen, 
ohne deren Verfolgung selbst solche Genie’s niemals zu ihrer 
synthetischen Darstellung gelangt wären. Was aber für den Kreis 
der unteren Schule gilt, das wird unverändert auch als Basis des 
weitergehenden Unterrichtes betrachtet -werden können. Jeder 
Lehrer der irrthümlich sogenannten höheren Mathematik, der Note 6. 
es nur auch einmal wirklich versucht hat, wird zugestehen müs 
sen, dass die Elemente der Differential- und Integralrechnung 
selbst bei Neulingen ein ganz anderes Ansehen gewinnen, wenn 
ihnen zuvor in kurzen Zügen die Maximum- und Tangenten - 
problème des siebzehnten Jahrhunderts, beziehungsweise die 
metrischen Bestrebungen des Archimedes vorgeführt wor 
den sind. 
Neben der Pädagogik, welche der Schulmann in jedem 
Moment an seinem Hörer bethätigen muss, steht jene universelle 
Hodegetik, welche den Forscher anleitet, seine Kräfte in rieh-
	        
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