Full text: Ziele und Resultate der neueren mathematisch-historischen Forschung

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Stande bringen konnte. Und als endlich ein grosses mathema 
tisches Genie, der Pisaner Leonardo Fibonacci, die auf 
weiten Studienreisen erworbenen indisch-arabischen Methoden in 
wesentlich vervollkommneter Gestalt dem Westen übermittelt 
hatte, da sehen wir den bei jeder grossen Neuerung zu beob 
achtenden Vorgang sich wiederum vollziehen: Die Masse wendet 
sich mit sicherem Instinkt der ihr gebotenen Wohlthat zu, die 
eigentlich wissenschaftlichen Kreise weisen sie ab. In den klö 
sterlichen Schulanstalten bleibt für’s Erste der altrömische 
Abacus, das steife Tabellensystem, in seiner Herrschaft un 
angetastet, eine nicht unrespektable Summe geistiger Kraft nützt 
sich im Verstehen und Fortbilden eines mächtigen arithmetischen 
Regelnwustes ab, und selbst die gewöhnliche Waffe des ethisch 
schwächeren, die physische Gewalt, suchen die auf den Aus- 
sterbe-Etat gesetzten Abacisten gegen die aufstrebenden Algo- 
rithmiker zu gebrauchen; gebietet doch noch 100 Jahre nach 
Leonardo’s Auftreten, um 1299, ein Polizeierlass den Floren 
tiner Kaufleuten ‘den Gebrauch der schwerfälligen römischen 
Ziffern, welche die Praxis wohl schon längst mit den bequemen 
arabischen vertauscht hatte. Erst mit dem fünfzehnten Jahr 
hundert beginnt der völlige Sieg, der neuen Rechnungsweise, aber 
Spuren der alten römischen Rechenkunst, welche selbst bei dem 
einfachsten Divisionsexerapel einen uns ganz unmöglich dünken 
den Apparat in Scene zu setzen genöthigt war, ziehen sich bis 
tief in das vorvorige Säculum hin. Als aber dann das dekadische 
System mit seinem Stellenwerth und seinem Columbus-Ei, der 
altindischen Null, unerschütterlich feststand, wie unwohnlich sah 
es gleichwohl noch in dem Gebäude aus. Die für uns einzig 
naturgemässe Fortsetzung des Zehner-Potenzensystomes nach der 
negativen Seite hin fehlte; aufwärts ordnete man nach der 
Zahl 10, abwärts nach der Zahl 60, und besonders die Stern-Note 19. 
künde glaubte des ihr liebgewordenen schon von den Magiern 
Chaldäa’s benützten Systeraes der Sexagesimalbrüche nicht ent- 
rathen zu können. Für sie besass man einen fest formulirten 
Rechnungsmechanismus, dessen hauptsächlicher Urheber der 
Alexandriner T h e 0 n war, und wenn sich auch diese Regeln bei 
Voraussetzung des natürlicheren ßruchnenners 10 durchaus nicht 
änderten, so hielt man doch sklavisch an den alten Gebräuchen 
fest. Diess ging soweit, dass die beiden Reformatoren der
	        
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