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mirt; ähnliche Liniengebilde treten uns auf den ältesten jüdi
schen Grabsteinen entgegen, und das ganze Mittelalter hindurch
können wir ihre Verbreitung in Handschriften, Münzen, Gem
men (die Abraxas-Signaturen) verfolgen. Da gewährt es nun
ein tiefes psychologisches Interesse, denselben Gelehrten, der
eben noch in streng wissenschaftlicher Weise über die Seiten
und Winkel solcher Figuren seine Betrachtungen anstellte, viel
leicht auf der nächsten Seite seines Werkes die Verwendung
derselben zu Amuleten und Beschwörungen auseinandersetzen
zu sehen. Denn das dürfen wir nicht verhehlen, gerade in die
sem Punkte giebt sich uns stellenweise ein recht tüchtiger ma
thematischer Sinn zu erkennen, und#die eingehenden Studien
des englischen Erzbischofs Thomas von Bradwardin wie
diejenigen unseres grossen Landsmannes Johannes Müller
von Königsberg haben die Planimetrie um eine Anzahl schöner
Lehrsätze bereichert. Schliesslich räumt diese trocken-wissen
schaftliche Arbeit den phantastischen Aufputz hinweg und wir
behalten von einer mystisch-theosophirenden Doktrin lediglich
den nüchternen Bodensatz geometrischer Theoreme übrig, mit
welchen sich die aufgeklärte Taschenspielerkunst des achtzehnten
Jahrhunderts amusirte.
Der geometrische Trudenfuss besitzt ein arithmetisches Sei-Note 28 *
tenstück, das magische Quadrat, jenes eigenthümliche Zahl
gebilde, welches uns häufig in älteren Werken entgegentritt.
Eine Anzahl unmittelbar aufeinanderfolgender ganzen Zahlen
soll so in die Zellen eines netzförmig eingetheilten Quadrates
eingeschrieben werden, dass ihre Summe, mag man in horizon
taler, vertikaler oder diagonaler Richtung zusammenfassen, stets
die gleiche ist. Dem Fernerstehenden mag beifolgende Figur
zur Erläuterung dienen, welche das magische Quadrat darstellt,
durch das Dürer in seinem bekannten allegorischen Stiche „die
Melancholie“ das mathematische Grübeln und Nachsinnen aus-
drücken will:
1 14 15 4
12 7 6 9
8 11 10 5
13 2 3 16.
In der Entwickelungsgeschichte der magischen Quadrate be
obachten wir mit dem befriedigenden Gefühle geschichtlicher