Full text: Ziele und Resultate der neueren mathematisch-historischen Forschung

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irgend einen Standpunkt deshalb gering zu achten, weil er für 
eine spätere und darum fortgeschrittenere Generation zu den 
überwundenen zählt. Allein dieser Fall ist eben in jeder Be 
ziehung ein Ausnahmefall; der eingefleischteste Empiriker der 
Neuzeit kann die bei Beginn unseres Jahrhunderts eingerissene 
Geistesverwirrung kaum schärfer tadeln, als der Geschichtschrci • 
her. Denn im Allgemeinen kann man von den meisten allge 
mein gewordenen Irrthümern behaupten, sie seien historisch 
nothwendig gewesen, um als Durchgangspunkt der fortschreiten 
den Erkenntniss zu dienen. Hier nun ist das anders — nicht, 
als ob nicht auch bei dieser Gelegenheit dem aufmerksamen 
Blicke gar manche Erscheinungen sich aufdrängten, welche die 
wissenschaftliche Modekrankheit vorbereiten halfen, aber man 
wird auch stets gestehen müssen, dass nur ein psychologisch nicht 
sachlich erklärbarer Complex von Umständen eine so bedauer 
liche Abschweifung von den bewährten Methoden der Forschung 
hervorgebracht haben kann. Die Naturphilosophie steht eben 
der rationellen Naturwissenschaft genau so gegenüber, wie Cali 
forniens Goldfelder seinerzeit sich zur rastlosen Arbeit des Ge 
schäftsmannes verhielten. Begründen wir unsere Ansicht etwas 
näher. 
In den physikalischen Schriften des Aristoteles finden 
wir am schärfsten jene Grandzüge einer falschen Naturphilosophie 
ausgeprägt, welche Jahrtausende fast die massgebenden blieben, 
deren letztes Aufflackern in einer kurz hinter uns liegenden Zeit 
wir hier zu schildern haben. Allein ihn deshalb zu verurtheilen, 
von ihm bereits Sinn für induktive Verfahrensweisen zu fordern, 
das würde eine Ungerechtigkeit sein, der sich kaum ein De- 
1 ambre*) schuldig machen dürfte. So sonderbar und unbegreif 
lich die Erklärungen immer sein mögen, welche der griechische 
Philosoph von den einfachsten mechanischen oder optischen Vor 
gängen gab — eine Anzahl recht prägnanter Beispiele kann man 
bei Whe well-Littrow *) zusammengestellt finden; stets wird 
man sich gegenwärtig halten müssen, dass hier eben ein erster 
durch die Phantastereien der Eleaten in keiner Weise vorberei- 
*) Dieser geistvolle Geschichtschreiber der Astronomie pflegt nämlich 
gewöhnlich von den Autoren zu verlangen, dass sie Alles gerade so gemacht 
haben sollten, wie er selbst es im Jahre 1820 etwa gemacht haben würde.
	        
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