Full text: Ziele und Resultate der neueren mathematisch-historischen Forschung

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teter Versuch vorliegt, sich in ein ganz neues Feld hineinzu 
arbeiten. Auch den späteren Griechen gegenüber sollte man ge 
rechter sein und ihnen nicht so ohne Weiteres jeglichen induk 
tiven Sinn absprechen. Es ist freilich wahr, dass der erste 
Mechaniker des Alterthums, Archimedes, nur solange fest und 
sicher auftritt, als er den gewohnten Boden der reinen Mathe 
matik unter seinen Füssen weiss und sich ängstlich zurückzieht, 
sobald die Formulirung irgendeines noch so einfachen Natur 
gesetzes erfordert wird, es ist eben so wahr, dass die relativ so 
hoch entwickelte griechische Astronomie die geistreichsten geo 
metrischen Corabinationen mit naturphilosophischen Prämissen 
verwebte, denen kein reeller Inhalt zugesprochen werden kann. 
Ucberhaupt kann man mit gutem Rechte auf die wirklich nutz 
bringenden Arbeiten der Griechen das Urtheil ausdehnen, wel 
ches der feinsinnige Dühring 2 ) über die Leistungen des 
Archimedes fällt, dass nämlich „ihr Hauptgegenstand die reine 
Mathematik sei, und dass die Combination der aufgefundenen 
geometrischen Sätze mit mechanischen Begriffen und Problemen 
häufig nur dazu dient, den geometrischen Neigungen einen Gegen 
stand zu schaffen.“ Angesichts der nicht zu leugnenden That- 
sache, dass zwischen den oft leeren Spekulationen der Philo 
sophen und den lediglich abstrakten Untersuchungen der Geo 
meter das verbindende Glied fast völlig fehlt, liegt freilich ein 
Einstimmen in das landläufig gewordene Absprechen über diese 
Seite griechischen Wesens nicht eben ferne; die Ehrenrettung 
des uns in so vielen Beziehungen zum Vorbild dienenden Volkes 
auch nach dieser Richtung hin konnte nur durch einen so un 
gewöhnlich hell denkenden Mann vollzogen werden, wie es der 
früh verstorbene Hankel war. Wer aufmerksam und ohne 
Voreingenommenheit die Studie dieses echten Historikers über 
griechische Naturforschung 3 ) durchliest, wer ihn mit sicherer 
Klarheit aus dem phantastischen optischen Roman des Lucrez 
den gesunden Kern herausschälen sieht 4 ), der wird gar bald sein 
wegwerfendes Urtheil modificiren und Behauptungen wie die 
jenige C. v. Littrow’s „Es fehlte den Alten selbst an der pri 
mitivsten Beobachtungsgabe“ 5 ) als historisch unwahre Phrasen 
zurückweisen lernen. 
Ein Theil der Entschuldigungsgründe, welche der Natur 
philosophie des Alterthums zur Seite stehen, fällt für das Mittel-
	        
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