Full text: Ziele und Resultate der neueren mathematisch-historischen Forschung

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als himmlische Bahnform möglich erachtete, ist neuerdings un 
widerleglich nachgewiesen worden 10 ). Und auch Kepler ver 
warf die Epicyklen nicht a priori; welch’ unendliche Mühe es 
ihn kostete, sich auf induktivem Wege aus dieser Gedanken 
richtung heraus- und in eine neue anders geartete hineinzuarbei 
ten, lehrt uns ein Blick in sein unsterbliches Werk „de stella 
Martis.“ Ersetzt wurde also die alte siebzehn Jahrhunderte in 
Kraft gebliebene Lehre durch eine neue und bessere, aber nicht 
leichthin, sondern nur durch gewaltige geistige Arbeit. 
Zu dieser Ansicht bekennt sich auch der nun schon so oft 
von uns angeführte geistvolle W he well. Allein er geht noch 
weiter, er deutet an, dass wir auch jetzt noch der Epicyklen 
nicht entbehren können 1J ). Die Rechnungsmethoden der neueren 
Sternkunde sind durchweg Approximationsmethoden, welche mit 
der in analytische Form umgesetzten Epicyklenlehre durchaus 
übereinstimmen. Apollonius und Ptolemaeus haben ja 
niemals behauptet, dass sich die Erscheinungen im Weltall genau 
nach ihren Vorschriften abspielen müssten — das haben erst die 
Spätscholastiker gethan — ; sie hielten lediglich dafür, dass für 
die Praxis jene Erscheinungen mit ihren Annahmen genau genug 
stimmten, und das ist noch heute wahr. Whewell hat also 
gewiss Recht, wenn er (a. a. 0.) die Frage nach dem principiel- 
len Werth der absoluten Kreistheorie als etwas ganz nebensäch 
liches bezeichnet. „Was die Vorwürfe und selbst die Spöttereien 
betrifft, die sich manche gegen die Verwickelung dieses Systems 
erlaubt haben, so sieht man leicht, dass sie von wenig Gewichte 
sind. Als ein Rechnungssystem ist es nicht nur gut, sondern, 
wie wir so eben gezeigt haben, selbst in der Hauptbeziehung 
nicht von dem neuesten und besten System verschieden.“ 
Was der Engländer nur berührte, hat unser grosser Lands 
mann Möbius aufgenommen und zum Abschluss gebracht. In 
einem mustergültigen Werke führte er an verschiedenen 12 ) 
Stellen den Nachweis, dass die Zusammensetzung einer Central 
bewegung aus Hülfskreisen im Sinne der Griechen das geome 
trisch-kinematische Analogon jenes Vorganges sei, welches unsere 
Analysis als Entwickelung einer Funktion in trigonometrische 
Reihen *) kennt und anwendet. 
*) Reiben, die nach den Sinus und Cosinus der Multipla eines Winkels
	        
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