Full text: Ziele und Resultate der neueren mathematisch-historischen Forschung

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eingesehen und sich von dem abweichenden Charakter der darin 
enthaltenen Charaktere überzeugt hatte. Es scheint in der That, 
als ob der blosse fortwährende Anblick dieser Ziffern einen 
Zweifel an ihrem altgriechischen Ursprung gar nicht aufkommen 
Hess, wie denn auch Männert, der letzte Vertreter der Ge 
schichte an der Altdorfer Hochschule, aufs Heftigste die 
orientalische Abkunft unserer Ziffern zu bestreiten suchte 6 ). 
Zu der noch schwebenden Boethius-Frage trat bald noch 
eine zweite die Gerb ert-Frage hinzu, insoferne der Eng 
länder North, gestützt auf eine Bemerkung Wilhelm’s 
von Malmesbury, jenem Hauptvertreter mathematischen Wis 
sens im Mittelalter die Kenntniss unserer Ziffern absprach 7 ), 
während Kästner 8 ) aus den Worten des alten Kosmographen 
den entgegengesetzten Sinn herauslesen wollte. Neben diesen 
einer echten Wissenschaftlichkeit zwar entbehrenden immerhin 
aber anerkenuenswerthen Bemühungen wimmelte es noch von 
wilden Conjekturen, wie denn nach Kästner’s Angabe ein 
sonst verdienter Literarhistoriker die Zahlzeichen aus den Buch 
staben des deutschen Alphabetes ableiten wollte 9 ). 
Mit dem Jahre 1837 trat die Streitfrage der Zahlzeichen in 
ein neues Stadium. Es erschien die Geschichte der Geometrie 
von Chasles, welche mit ganz anderen Gründen und in streng 
sachgcmässcr Weise die fraglichen Punkte zu sichten bestrebt 
war; der gelehrte Verfasser hatte sich in dem vorhandenen Hand- 
schriften-Material vollständig orientirt und bekannte sich, wenn 
auch durchaus nicht in den sämmtlichen Details, so doch im Gros 
sen und Ganzen für Weidler-Mannert 10 ). Von mathema 
tisch-historischer Seite war oder schien wenigstens die Sache 
entschieden; allein es erhob sich ein heftiger Angriff gegen 
Chasles’ Auffassung von philologischer Seite. Friedlein 
bestritt in einer wesentlich polemischen Monographie u ) die Re 
sultate von Chasles, indem er die Unächtheit der ganzen 
Geometrie des Boethius oder doch zum mindesten des hier 
in Frage kommenden Anhanges darzuthun versuchte. Er fand 
einen nicht minder schlagfertigen Gegner in M. Cant or, und 
man kann wohl behaupten, dass die Polemik, welche ungefähr 
zehn Jahre lang in selbstständigen Veröffentlichungen und Jour 
nalen diesem Streitobjekt gewidmet ward, durch die beiden zu 
letzt angeführten Namen hinlänglich gekennzeichnet ist. Fried
	        
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