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selbst nach Kassel, so haben Sie wohl die Güte, zu machen, daß
ich die Fassung wiedererhalte, da ich längst auf andere Weise eine
Libellenröhre hätte erhalten können, u[nd] sich dann ja nicht mit
dem Versprechen abspeisen zu lassen, daß er die Glasröhren
nächstens einsetzen wolle; ein so gewissenloses Betragen, was mir
schon großen Schaden zugefügt hat, ist mir doch noch an keinem
Künstler vorgekommen.
Spät hole ich noch meinen verbindlichen Dank für das
Geschenk Ihres Lorenz nach.
Die Geschäfte der Gradmessung nehmen meine ganze Zeit jetzt
in Anspruch u[nd] setzen mich in allen anderen Sachen zurück.
Hrn. Hauffs Buch habe ich daher zwar nur durchblättern können,
doch aber leicht bemerkt, daß die Schäden seiner angeblichen drei
Beweise diese sind. Beim ersten ist subreptive angenommen, daß
Fig. 4, das gleichseitige Dreieck, dessen Seite CG wäre, ebenso
große Winkel hat wie das gleichseitige Dreieck ABC; denn das
Coroll. 6, pag. 6, ist nur bewiesen, wenn die Hälfte des Winkels CAD
wirklich in dem gleichs[eiligen] Dreieck ACD gemeint ist; Hauff
hat aber diese Beschränkung im Coroll. 7 unerlaubterweise weg
gelassen und pag. 8 in 8) dieses Coroll. 7 auf den Fall angewandt,
wo ein anderes gleichseitiges Dreieck verstanden wird.
Beim zweiten Beweise ist schon pag. 29, Cor. 2, ohne Beweis
angenommen, daß die Schenkel AD, BD wirklich Zusammentreffen.
Allein abgesehen davon (was übrigens auch nicht bewiesen
werden kann) ist gar kein Grund da, warum pag. 31, 3), die Linie,
welche CBE halbiert, die Linie FD u[nd] AD in einem u[nd] dem
selben P[un]kte D treffen soll.
Endlich, beim dritten Beweise, ist pag. 55 Demonstr. 3) nicht
per hyp[othesin] BD die Chorda Quadrantis, sondern dies soll ja
eben bewiesen werden, also hier eine wahre petitio principii.
Ich überlasse Ihnen, ob Sie den Versuch machen wollen,
Hrn. Hauff das Wesentliche dieser von mir eilig nieder geschriebenen
Bemerkungen anzuzeigen. Es ist unbegreiflich, wie ihm bei der
formalen Ordnung seines Vortrages so offenliegende Sachen ent
gehen konnten, aber eben deswegen zweifle ich, daß ihm die Augen
überhaupt geöffnet werden können, denn es ist doch wohl zu prä-
sumieren, daß sein Utrechter Gegner dieselben Dinge releviert
haben wird. Sie, liebster Gerling, wissen übrigens, daß ich sonst
zwar mit Legendre einerlei Ansicht habe, aber darin von ihm
abweiche, daß ich seinen sogenannten analytischen Beweis für
nicht besser halte wie die andern alle. Die neue Ausgabe seiner
Geometrie habe ich übrigens nicht gesehen.
Ich schließe mit der Versicherung meiner freundschaftlichen
Ergebenheit. G.