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kann. Der Beweis ist zwar nicht sehr schwer, aber doch auch nicht
ganz leicht und auf jeden Fall in dieser oder einer andern Form
unerläßlich.
Leider werden mir jetzt meine Meditationen, die nur bei ganz
freier Zeit recht gedeihen, durch das anhebende Kollegienlesen
beschränkt.
Unter herzlichen Grüßen an Ihre Frau Gemahlin und der Bitte,
bald einmal durch einige Zeilen erfreut zu werden, stets
Ihr ergebenster
C. F. Gauß.
Nr, 174. [Gerling an Gauß.]
Marburg, den 16. Novbr. 1826.
Ich schäme mich eigentlich, mit einem Briefe vor Ihnen zu
erscheinen, verehrtester Herr Hofrat, denn noch nie habe ich so
ungebührlich geschwiegen. Ihr lieber Brief vom 5. Novbr. vorigen
Jahres erfreute uns sehr, und ich hatte ihn am 10. Novbr. schon
beantwortet; diese Antwort ist aber damals nicht abgegangen und
liegt noch unvollendet da. Es war nämlich in Ihrem Briefe von
verschiedenen Gegenständen der Geometrie die Rede, die zu den
Materialien Ihres größeren Werks über höhere Geodäsie gehören;
dies veranlaßte mich, Ihnen einige Meditationen über elementaria,
welche ich 1824 vor dem Prorektorate angefangen und 1825 nach
demselben wieder aufgenommen hatte, zu überschreiben. Gerade
aber, als ich das Ende davon niederschrieb, entdeckte ich noch
eine Lücke, die ich vor Abgang meines Briefes noch zu vervoll
ständigen wünschte, fing also unter Aufschiebung dieses Abgangs
damit eifrigst an, wurde aber vor der Vollendung noch mit einer
solchen Menge äußerlicher Hindernisse überhäuft, daß ich seit den
letzten Weihnachtsferien bis jetzt zu einem eigentlich freien Nach
denken nicht habe kommen können, und es für jetzt ganz habe
aufgeben müssen, Ihnen etwas davon zu schreiben. — Strafen Sie
mich nicht für dieses ungebührliche Stillschweigen und ent
schuldigen Sie mich wenigstens mit dem guten Willen, nicht immer
ganz mit leeren Händen vor Ihnen zu erscheinen.
Ihr letzter Brief hatte uns besonders deshalb sehr erfreut, weil
wir daraus ersahen, daß die längere Reise vorteilhaft auf Ihre und
Ihrer Frau Gemahlin Gesundheit gewirkt hatte. Sehnlichst wünsche
ich nun, wenn Sie mich nicht durch längeres Stillschweigen strafen
wollen, von Ihnen zu hören, wie es Ihnen seitdem gegangen, und
namentlich auch, wie es den lieben Ihrigen geht. Hat es Ihnen, wie
Sie mir schreiben, in unserer Gegend gefallen, so haben wir ja wohl
die Hoffnung, Sie einmal wieder bei uns zu sehen. Möge es dann
aber doch nur auf längere Zeit geschehen! — Eigentlich hatte ich
die stille Hoffnung, noch in den letzten Michaelisferien auf ein paar