Full text: Briefwechsel zwischen Carl Friedrich Gauss und Christian Ludwig Gerling

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Gauß. 
ZYl*. 8. [Gerling an Gauß.] 
Kassel, den 27. Novbr. 1812. 
Herzlichen Dank sage ich Ihnen, verehrtester Herr Professor, 
für Ihren gütigen Brief, den mir Ihr Herr Schwager heute vor 
8 Tagen zuschickte. 
Die Beobachtung der Sternschnuppen würde mir sehr viele 
Freude machen, ich bin aber bis jetzt noch nicht imstande, irgend 
etwas Genaues zu observieren. Den Schlüssel zur Sternwarte habe 
ich freilich, wie Ihnen Encke erzählt hat, eine Zeitlang gehabt. Der 
Präfekturrat Murhard [ x ] (derselbe, der eine Reise nach Kon 
stantinopel gemacht hat) hat (nachdem Matsko[ 2 ], Gott weiß aus 
welchen Ursachen, seine Stelle, jedoch mit Beibehaltung seines 
Gehalts, [hat] abgeben müssen) jetzt als zweiter Bibliothekar auch 
die Aufsicht über die Sternwarte und gab mir auf eine Anfrage den 
Schlüssel. Ich fand aber alles in einem so abscheulichen Zustande, 
daß ich gleich einsah, ohne Hilfe von oben gar nichts anfangen zu 
können. Fast keine Tür läßt sich öffnen, Fledermäuse und Krähen 
beschmutzen alles, was nicht sorgfältig mit Bettüchern behängen 
ist. Es ist seit 6 Jahren auch kein Versuch zu einer Beobachtung 
gemacht, keine Uhr im Gange; kurz, es ist alles eine wahre Satire 
auf eine Sternwarte. 
Bei so bewandtenUmständen wandte ich mich an den Hrn.v. Leist 
mit einem Schreiben, worin ich ihm den jämmerlichen Zustand der 
Dinge so beweglich als möglich vorstellte und ihn bat, doch da zu 
helfen, auch mir die feierliche Erlaubnis zur Benutzung der Stern 
warte zu erteilen. — Es ist dies nun nicht unmittelbar seine Sache; 
er betrachtet es aber doch als einen zum öffentlichen Unterricht 
gehörigen Gegenstand und trug gleich darauf beim Minister des 
Innern auf die Erfüllung meines Wunsches an. Seit beinahe vier 
Wochen harre ich mit Sehnsucht der Resolution. — Indessen hat in 
der Zwischenzeit zwischen meinem Schreiben an Leist und dessen 
Bericht an den Minister, der erste Bibliothekar, der mit Murhard 
gespannt ist, einen Befehl des Ministers ausgewirkt, daß ich den 
Schlüssel wieder abgeben müßte. — Seit einigen Tagen habe ich 
zufällig erfahren, daß im Ministerio des Innern die Sache doch 
von der ernsthaften Seite genommen wird. — Weil indessen bei 
dieser Gelegenheit die kleinen Leidenschaften sehr mit ins Spiel 
gekommen sind und ich auf einige Leute, die dabei mit interessiert 
sind und nur gar zu gern diese Gelegenheit benutzt hätten, um 
mich in Ihre Privatintrigen hineinzuziehen, mich nicht verlassen 
>irektor der 
Ofen.] 
mogeneorum 
I, 1813; ab- 
l 1 Murhard, Friedrich Wilhelm August, geh. 1779, gest. 1853; unter der west 
fälischen Regierung Redakteur des „Westfälischen Moniteurs“, Bibliothekar am Museum 
in Kassel und Präfekturrat; seit 1814 politischer Schriftsteller, vielfach in politische 
Händel verwickelt.] 
[ J Vermutlich ein Sohn des 1796 gestorbenen Professors Johann Matthias Matsko: 
biographische Nachrichten waren mir nicht zugänglich.]
	        
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