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Von unsern häuslichen Verhältnissen kann ich nur sagen, daß
es gottlob etwas besser bei uns geht und doch jetzt die Hoffnung
vollständiger Herstellung wenigstens immer lebhafter wird, obwohl
es traurig genug ist, daß jetzt nur noch sechs Wochen an einem
vollen Jahre fehlen, daß unsere arme Marie ihr eines Bein nicht
hat gebrauchen können. Das Speziellere kann Ihnen erforderlichen
falls Hr. Schmid erzählen.
Ich schließe hier heute mit der Bitte um die herzlichsten
Empfehlungen an die lieben Ihrigen und mit dem Wunsche, bald
einmal wieder zu hören, wie es Ihnen geht.
Behalten Sie in gutem Andenken Ihren
Gerling.
Nr. 182. [Gerling an Gauß.]
Marburg, den 4. Aug. 1829.
Verehrter Herr Hof rat!
Meine heutigen Zeilen haben zunächst den Zweck, Ihnen eine
kleine Abhandlung f 1 ] zu überreichen, welche ich in den letzten
Wochen habe drucken lassen. Ich bitte, sie freundlich von mir
aufzunehmen und nachsichtig zu beurteilen.
Nächstdem sage ich Ihnen herzlichen Dank für den freund
lichen Empfang, welchen Sie dem jungen Schmid haben an
gedeihen lassen, den ich Ihnen vor etwa 2 Monaten empfahl.
Er rühmt mir dieses in einem Briefe aus Hamburg, wo er, da es
ihm nicht möglich gewesen ist, bei Kessels [ 2 ] Arbeit zu bekommen,
worauf sein Hauptaugenmerk ging, einstweilen hei einem gewöhn
lichen, aber nicht ungeschickten Uhrmacher arbeitet und sich vor
bereitet, nach England zu gehen. — Er schreibt mir aber außer
dem gar nichts von Ihnen, und hätte ich doch so dringend ge
wünscht, zu erfahren, wie es Ihnen geht, und namentlich wie sich
jetzt der Gesundheitszustand Ihrer Frau Gemahlin, der ich die
herzlichsten Empfehlungen zu bestellen bitte, anläßt.
Von uns kann ich Ihnen zwei häusliche Nachrichten mitteilen,
die uns in den letzten Wochen freudig und schmerzhaft berührten.
Meine arme, kranke Tochter, welche uns soviel Herzeleid ver
ursachte und so langsam in diesem Frühjahr anfing, sich zu
bessern, daß kaum Hoffnung blieb, sie in diesem Jahre noch auf
stehen zu sehen, ist gottlob wunderbar plötzlich hergestellt. Am
21. Juli fing der Schmerz, der sie 13 Monate gequält hatte, an, sich
zu verlieren, am 23. morgens konnte sie auftreten, und selbigen
Abends noch ging sie schon ohne Stock!
t 1 „Die Höhe Marburgs über dem Meere, aus Barometerbeobachtungen berechnet“;
Marburg und Kassel 1829; auch in den Schriften der Marburger Gesellschaft z. Be
förderung d. ges. Naturwissenschaften, Bd. II, Heft 4.]
[ 2 Kessels, Heinrich Johannes, geh. 1781, gest. 1849; berühmter Uhrmacher in Altona.]