Full text: Briefwechsel zwischen Carl Friedrich Gauss und Christian Ludwig Gerling

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Zuerst muß ich Ihnen sagen, daß mein Aufenthalt bei Ihnen, 
wenngleich so kurz und getrübt, doch durch die vielen Beweise 
von Liebe und Vertrauen, die Sie mir gaben, einen sehr freund 
lichen Eindruck bei mir hinterlassen hat, indem mir ist, als sei 
ich Ihnen dadurch wesentlich näher gerückt. 
Nun die Frage, die mir unterwegs aufgefallen ist und mich 
hier schon vielfältig beschäftigt hat. Sollte es nicht gerade jetzt 
zu Ihrer Aufheiterung dienen, wenn Sie den früheren Gedanken, 
uns einmal hier in Marburg zu besuchen, in Ausführung brächten? 
Sie könnten die 18 Meilen, sollte ich denken, in einem Tage fahren, 
und, hier angekommen, würde ich Sie bitten, bei uns vorlieb zu 
nehmen, und würden meine Frau und ich keine größere Freude 
kennen, als Ihnen ein paar ruhig-freundliche Tage in unserer 
stillen, freilich etwas engen Häuslichkeit zu verschaffen. Über 
legen Sie einmal, ob sich dieser Plan nicht vielleicht in den Weih 
nachtsferien wenigstens ausführen ließe. 
Wir kamen am 20. Oktbr. in Kassel und am 22. hier an. Am 
ersten Orte fand ich wegen der obschwebenden politischen Ange 
legenheiten und Ihnen bekannten städtischen Auftritte eine heftige 
Spannung, und war wirklich wegen der möglichen Folgen nicht 
ohne Unruhe und Besorgnis. Es hat sich dieselbe jedoch allmählich 
gemindert, und hege ich jetzt wieder die Hoffnung, daß wir hier in 
Hessen ohne gewaltsame Auftritte zu einer Regeneration des öffent 
lichen Zustandes gelangen werden. — Uebrigens muß ich eine 
Zahlenangabe berichtigen. — Ich schlug den Ueberrest der alt- 
hessischen Landesschuld zu 300 000 Taler an. — Sie beträgt effektiv 
noch nahe 1 Millfion], obwohl sie sich nach der Berechnung aus den 
Elementen, die in dem ihre Tilgung nominierenden letzten Land 
tagsabschied enthalten sind, sich = 0 finden soll. — Ein bedeuten 
der Umstand, den ich damals noch nicht wußte, liegt aber darin, 
daß die Uebernahme der Landesschuld von seiten des K[ur]- 
f[ürsten] sich keineswegs auf diese althessische allein beschränkt, 
sondern auch die Schulden der andern, z. T. neuen, Landesteile 
umfaßt, und so kann das ganze Opfer in maximo 3^—I Mil 
lionen angeschlagen werden. 
Als ich im Begriff war, von Ihnen Abschied zu nehmen, er 
wähnte ich noch des Olbersschen Doktor-Jubilaei. Ich habe, seit 
dem ich hier war, seine Dissertation wieder hervorgesucht und ge 
funden, daß es auf den 28. Dezhr. fällt. Meine Frage dabei war: 
1. ) ob nicht in der Voraussetzung, daß O [Ibers] noch nicht Doktor 
philosoph [iae] sei, gerade dies eine herrliche Gelegenheit sei, 
das Promotionsrecht unserer Universitäten und Fakultäten 
auf eine recht würdige Weise auszuüben? 
2. ) ob nicht gerade vor allen andern philosoph[ischen] Fakultäten 
die Gotting[i]sehe sich hiezu gleichsam berufen glaube? — 
Briefwechsel Gauß und Gerling, 22
	        
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