Full text: Briefwechsel zwischen Carl Friedrich Gauss und Christian Ludwig Gerling

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wo ich den größten Teil derselben geschlossen habe, freier zu 
atmen wieder anfange. 
Dieses ist denn auch die Ursache, weshalb ich es versäumen 
mußte, Ihnen schon früher für Ihren Brief vom 19. Januar meinen 
herzlichsten Dank zu sagen. Ja, ich muß gestehen, daß ich noch 
keine Ruhe gefunden habe, denselben sowie den nächstvorher 
gehenden gehörig zu verarbeiten durch spezielles Nachstudieren 
und Rechnung von Beispielen. Soviel sehe ich aber doch schon 
aus der bisherigen flüchtigen Durchsicht, daß er mir in vielen 
Dingen ein neues Licht aufsteckt und wahrscheinlich incidenter 
noch manche andere gelegentliche Skrupel zerstreuen wird. Die 
jetzt anfangenden Ferien habe ich vorzugsweise dazu bestimmt, mit 
diesen Gegenständen, besonders soweit sie die Anwendung auf die 
gewöhnlichen Fälle der praktischen Geometrie betreffen, endlich 
einmal aufs reine zu kommen, und werde so frei sein, am Ende 
derselben weiter zu referieren, wie es mir gelungen. Von den 
beiden Kunstgriffen, deren Sie erwähnen, war der letzte, den Sie 
bloß andeuten (Seitenverhältnisse zu korrigieren, ohne die Winkel 
summe zu affizieren mit Abstraktion von absoluten Minima), mir 
auch einmal vor einigen Jahren als Desiderium durch den Kopf 
gegangen. Ich habe aber damals den Gedanken wieder aufgegeben, 
ehe ich ihn ganz durchführte; muß ihn aber nun wieder vornehmen, 
da er gerade in der gewöhnlichen praktischen Geometrie von so 
außerordentlichem Nutzen sein muß. — Was aber den andern 
Kunstgriff betrifft, den Sie so gütig waren mir vollständig mitzu 
teilen, und den ich jetzt zunächst erst einstudieren werde, so war er 
mir ganz und gar neu. Die Geschichte meiner geringen Kennt 
nisse in diesen Gegenständen ist kürzlich diese: 
Nachdem ich im Sommer 1823 allerlei Versuche gemacht hatte, 
ein Viereck auszugleichen, war ich endlich auf eine Bedingungs 
gleichung zwischen den Winkeln gekommen, die ich Ihnen mit Bitte 
um ein Urteil schickte, noch zweifelhaft über die Anwendung, 
da ich darin einen groben Fehler zu machen im Begriff war, den 
Sie demnächst mir bemerklich machten. Sie schrieben mir darauf 
11. Febr. 1824t 1 ] folgendes: 
„Zur Prüfung des Vierecks 
haben Sie eine Bedingungsgleichung mit 8 Faktoren; es ist aber 
nur eine mit sechsen nötig, die auf 4 verschiedene Arten ein 
gekleidet werden kann. 
t 1 Siehe Brief Nr. 165, S. 306 ff.]
	        
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