Full text: Briefwechsel zwischen Carl Friedrich Gauss und Christian Ludwig Gerling

welches auf meinen Karten nicht steht, obwohl es jetzt schon ein 
Ort von 6000 Einwohnern oder mehr ist. Er hat aber nicht sehr 
weit davon eine Farm gekauft, die vielleicht selbst noch keinen 
Namen führt. Von einem Bekannten Wilhelms, der in St. Louis 
etabliert ist und vorigen Herbst mich hier besuchte, hörte ich, der 
nächste Ort heiße New Brunswick (welcher Name in den Ver 
einigten Staaten vielleicht ein halb Dutzendmal vorkommt, aber 
auch auf meiner Karte fehlt. Briefe an Wilhelm treffen übrigens 
einstweilen am sichersten, wenn auf die Adresse noch geschrieben 
wird „care of Mr. Fallenstein, Glasgow, Missouri“ (F [allenstein] ist 
Wilhelms Schwager und war sein Kompagnon, führt jetzt die Hand 
lung allein). 
Ihre Bemerkungen über Symmetrie und Kongruenz sind voll 
kommen treffend. Was noch zu desiderieren wäre, ist der meta 
physische Grund, warum es so ist (was bei Ihnen nur als eine wahr 
genommene Tatsache auf tritt) und damit auch die Erweiterung auf 
eine Geometrie von mehr als 3 Dimensionen, wofür wir mensch 
lichen Wesen keine Anschauung haben, die aber in abstracto be 
trachtet nicht widersprechend ist und füglich höheren Wesen zu 
kommen könnte. Um aber aus dieser Höhe wieder auf die Erde 
herunterzukommen, so ist es schade, daß die Gleichheit der 
Volumina körperlicher, bloß symmetrischer, aber nicht kongruenter 
Gebilde, sich nur durch die Exhaustionsmethode und nicht eben so 
elementarisch demonstrieren läßt, wie meines Wissens zuerst Sie 
bei der Area des sphärischen Dreiecks gezeigt haben. Ihr Beweis 
in etwas anderer Gestalt findet sich auch bei Lobatschefsky, ohne 
daß erhellet, ob er Ihren Aufsatz gekannt habe. Jedes sph[ärische] 
Dreieck läßt sich nämlich in drei gleichschenklige Dreiecke zer 
legen, und diese Zerlegung auf zwei symmetrische Dreiecke an 
gewandt, gibt bei beiden gleiche und nur in ungleicher Ordnung 
liegende Dreiecke. (Es versteht sich, daß, um vollständig zu sein, 
man drei Fälle unterscheiden müßte, wovon der zweite und dritte 
auch so ausgesprochen werden können, daß je eines der Partial 
dreiecke negativ oder 0 sein kann.) 
Erschütternd war mir die Nachricht von Deahnas traurigem 
Ende. Ein trefflicher Kopf ist in ihm verloren; er besaß den jetzt 
so seltenen Sinn für echte mathematische Strenge. Auch das 
traurige Los des Hrn. Hupfeid ist mir nahe gegangen; nach den 
Tagesblättern hat er auch Differenzen mit den Studenten gehabt, 
die wohl beitragen können, ihm seine Übersiedlung noch mehr zu 
verleiden. 
Ich komme nun zu dem Theodoliten. Sie finden die Fälle be 
sonders rätselhaft, wo die gemessenen Winkel die Tendenz eines 
positiven Fehlers zeigen (während meine Erfahrungen immer 
negative Fehler, d. i. zu kleine Resultate, ergeben) und reden von 
3 solchen Fällen. Ich habe die betreffenden Stellen Ihrer „A[us-
	        
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