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ausführlich in diesen Untersuchungen gesprochen, auch bereits
— wie ich hoffe — klar genug gesagt, wie die Lehre von über-
euklidischen Parallelen nicht etwa zusammenhangslos neben den
euklidischen Satz von der einzigen Parallelen gestellt ist, wie über
haupt die Lehre vom Unendlichen in der Mathematik nicht ein
fach eine Erweiterung der endlichen Mathematik darstellen soll,
sondern wie gerade durch sie das Dunkel, was in dieser herrschte,
zu einem beträchtlichen Teile erhellt werden soll. Und das, weil
die Mathematik, insbesondere die Raumlehre, die Unendlichkeit
des Raumes mit der unbegrenzten Verkleinerung und der Vorstel
lung endlicher Grössenverhältnisse, eine völlig zusammenhängende
Lehre sein soll und sein muss. Wer so weit in der Erkenntnis
vorzuschreiten vermöchte, wie es wünschenswert wäre, der würde
bei der Vorstellung eines einzigen Elementes, wie des Punktes,
bei der Auffassung seiner wahren Bedeutung, nicht bloss seiner
Anwendung, seines Wesens (das man in eine erschöpfende Defini
tion hineinbringen müsste) bereits den engen Zusammenhang mit
allen übrigen Elementen sich mitvorstellen. Wir können das immer
nur teilweise, wir sind auch nicht so weit, diese Teile von Stelle
zu Stelle im vollendeten Zusammenhänge zu verfolgen; aber wir
wollen an einen wissenschaftlichen Fortschritt glauben, wenn wir
selbst solchen Begriff in Zusammenhang mit derjenigen Vorstellung
gebracht haben, die überall in der Grössenlehre vorkommt, mit der
Begrenzung, mit dem Unendlichen.
Der nicht hinreichend mathematisch gebildete Leser möge
mir verzeihen, wenn ich noch einige Betrachtungen über eine zwar
sehr interessante, aber doch ziemlich spezielle Frage beifüge, die
von der hier kritisierten Richtung der Mathematiker mit Vorliebe
in den Vordergrund geschoben wird: die Frage von den „nicht-
differenzierbaren, aber stetigen“ Funktionen — eine sogenannte
Entdeckung der neueren Zeit. Ich werde versuchen, auch dabei
möglichst gemeinverständlich zu bleiben. Jedenfalls erhält man
durch eine solche Betrachtung eine deutliche Übersicht darüber,
inwiefern die in den vorigen Abschnitten kritisierten mathema
tischen Verirrungen untereinander Zusammenhängen, weshalb die
Anhänger der nichteuklidischen Geometrien, der Limesmethode (Aus
schliessung des unendlich Kleinen), der Mengenlehre, der Axiomatik,
der Zerspaltung der Mathematik in eine Approximations- und
Präzisionsmathematik miteinander Hand in Hand gehen und eine
Art von Ring bilden namentlich gegen jeden Versuch, unendlich