Berechtigung der nicht-eukiidischen Raumformen.
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die sämtlichen weiteren Voraussetzungen Euklids und infolge
dessen auch alle seine Sätze, welche von der Parallelentheorie
unabhängig sind, bleiben in Gültigkeit. Aber die Lehre von den
Parallelen und die aus ihr fliefsenden Folgerungen müssen durch
andere Wahrheiten ersetzt werden; namentlich ist die Winkel
summe für ein aus kürzesten Linien gebildetes Dreieck kleiner
als zwei Rechte.
So interessant diese Übertragung ist, leidet sie für unsere
Zwecke an einigen Mängeln. Der Beweis derjenigen Sätze, auf
welche es uns ankommt, erfordert ein recht tiefes Eingehen in
schwierigere Partieen der Mathematik; wir mufsten uns deshalb
damit begnügen, die einzelnen Sätze ohne Beweis rein historisch
anzuführen. Andererseits kann man noch einwenden: Die Be
trachtung dieser Flächen zeigt wohl, dafs die Parallelen-Theorie
durch Untersuchung der Ebene nicht bewiesen werden kann,
aber es ist denkbar, dafs uns räumliche Betrachtungen den ge
suchten Beweis liefern. Dieser Einwand wird durch eine Über
tragung beseitigt, welche zudem den Vorzug besitzt, nur geringere
mathematische Kenntnisse vorauszusetzen.
Die einzelnen Teile des Raumes können in mannigfacher
Weise auf einander bezogen werden; man bezeichnet jede solche
Operation kurz als eine Umformung des Raumes. Besonders
wichtig sind diejenigen Transformationen, bei denen die Ebenen
und Geraden wieder in Ebenen und Geraden übergehen. Eine
solche Transformation wird als eine projektive bezeichnet. Die
Schar derselben kann so beschränkt werden, dafs eine Kugelfläche
(oder allgemeiner eine ungeradlinige Fläche zweiten Grades) in
sich verbleibt. Indem man sich auf das Innere dieser Kugel
beschränkt, welches natürlich in sich verbleibt, und nur Trans
formationen der bezeichneten Art betrachtet, bleiben die Begriffe
von Ebene und Gerade unverändert; Kugel und Kreis müssen
durch gewisse andere Gebilde ersetzt werden; auch mufs man
für die Länge einer Strecke und für die Gröfse eines Winkels
neue Gröfsen einführen. Dieser Anschauung genügen alle Gesetze,
welche im Beginne der Geometrie aufgestellt werden, speziell
die von Euklid gegebenen Definitionen, Axiome und Postulate,
soweit sie nicht vom Parallelaxiom abhangen. Aber die Parallelen-
Theorie gilt bei dieser Anschauung nicht mehr; es ist also un