Der mehrdimensionale Raum.
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übereinstimmen, ohne kongruent zu sein. Wie grofs man auch
die Zahl der Dimensionen annehmen mag, niemals wird der
Begriff der Kongruenz identisch sein mir dem Begriff der Über
einstimmung in allen Gröfsenbeziehungen; es ist also gar nicht
gestattet, die Identität der beiden Begriffe zu verlangen.
Endlich beruft man sich auf Experimente, welche angeblich
gemacht sind und welche im dreidimensionalen Raume nicht aus
geführt werden können, während sie in einem Raume von mehr
Dimensionen ganz einfacher Natur sind. Die erste Aufgabe besteht
darin, einen Körper aus einem allseitig verschlossenen Raum zu
entfernen, ohne dafs der Verschlufs aufgehoben wird. Denken
wir z. B. ein Schrotkorn in eine Hohlkugel eingeschlossen, so
soll das Korn daraus entfernt werden, ohne dafs eine Öffnung
in die Kugel gemacht wird. Diese Aufgabe ist im dreidimen
sionalen Raume nicht löslich; aber die Lösung ist ganz einfach,
wenn die Kugel einem vierdimensionalen Raume angehört. Denn
gleichwie die Kreislinie wohl zwei Teile einer Ebene von ein
ander trennt, aber nicht zwei Raumteile gegen einander abgrenzen
kann, so ist auch die zweidimensionale Kugelfläche nicht die
Grenze für Teile eines vierdimensionalen Raumes. Man kann
aus dem Innern einer Kreisfläche in das Äufsere gelangen, wenn
man den Weg durch den Raum wählt; ebenso müfste man aus
dem Innern einer Kugel herauskommen können, wenn der Raum
vierdimensional wäre. Genau so verhält es sich mit einer zweiten
Aufgabe: In einem Faden ist ein Knoten angebracht und dann
sind die Enden fest mit einander verbunden; man soll den Knoten
lösen, ohne den Faden zu zerreifsen. Könnte man hierbei einem
Teil des Bandes gestatten, in einen vierdimensionalen Raum hin
überzugehen, so würde sich bei passender Wahl des Teiles und
seiner Bewegung die Aufgabe lösen lassen. Nun haben einige
geglaubt, beide Probleme seien in der That mehrmals gelöst
worden; deshalb haben sie zur Erklärung die Annahme vorge
schlagen, der Raum sei vierdimensional. Aber vorläufig ist es
doch gewifs gestattet, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln;
jedenfalls war bei den betreffenden Experimenten ein klarer Ein
blick in die Vorbereitungen und in den ganzen Verlauf der
Versuche nicht möglich, und schon aus diesem Grunde darf
man die Versuche nicht zur Grundlage einer neuen Theorie