Die Clifford-Kleinschen Raumformen.
345
Linie gefunden werden können, die von irgend einem andern
Punkte ausgeht. Aber betrachtet man nur z. B. die sämtlichen
Geraden, welche von demselben Punkte ausgehen, so werden
diese in ihrem Verlaufe nicht voll übereinstimmen; so geht in
den betrachteten Raumformen von jedem Punkte mindestens eine
geschlossene Gerade aus; sind mehrere Gerade geschlossen, so
werden sie keineswegs sämtlich die gleiche Länge besitzen; zudem
gehen von jedem Punkte auch unendliche Gerade aus. Aber
selbst die Gleichförmigkeit des Raumes in Bezug auf die einzelnen
Punkte besteht nicht allgemein. Wir lernten (§ 8 S. 333) unter
der Annahme, dafs die Winkelsumme eines jeden geradlinigen
Dreiecks zwei Rechte beträgt, eine Raumform kennen, bei welcher
eine einzige gerade Linie vor allen andern bevorzugt ist. Alle
diese Eigenschaften sind auf den ersten Blick höchst befremdlich
und fordern jeden, der sich die Mühe einer genauen Prüfung
nicht geben mag, fast zur Ablehnung heraus.
Ganz anders aber mufs das Urteil lauten, wenn man sich
diese Mühe nicht verdriefsen läfst. Gewifs, die neuen Raum
formen können nicht durch jede Bewegung, welcher ein fester
Körper unterworfen werden kann, in sich als Ganze bewegt
werden. Aber das kann unmöglich ein Grund sein, ihre Be
rechtigung zu leugnen. Der Raum kann ja überhaupt nicht bewegt
werden; wenn der Ausdruck: Bewegung des Raumes bisher oft
gebraucht ist (und gewifs auch ferner noch oft benutzt wird), so
findet jeder, der genauer über die Sache nachdenkt, hierin nur
einen kurzen Ausdruck für diejenigen Sätze, welche wir in § 4
(S. 291) entwickelt haben.
Sobald man sich aber klar macht, was dieser an sich uner
laubte Ausdruck besagt, erkennt man sofort, dafs die neuen Raum-
tormen berechtigt sind. Bewegung kann nur einem Körper bei
gelegt werden; sobald zwei feste Körper starr mit einander
verbunden sind, wird die Bewegung des einen auch notwendig
eine gewisse Bewegung des andern nach sich ziehen. Die feste
Verbindung beider kann aber auf ganz verschiedene Weise und
durch verschiedene Körper bewirkt werden. Jetzt ist aber die
Voraussetzung, dafs die für den zweiten Körper vermittelte Be
wegung von den verknüpfenden Körpern unabhängig ist, an sich
gleichberechtigt mit der Annahme, dafs die vermittelte Bewegung