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Fünfter Abschnitt. § 3.
mufs zwei-, drei- und mehrdimensionale Gebilde messen; sie mufs
die Lage von Gebilden, die nicht zusammenfallen, mit einander
vergleichen und bedarf zu dem Zweck u. a. des Winkels. Der
Analysis fehlt jedes Mittel, diese Begriffe zu entwickeln oder in
innern Zusammenhang mit dem Begriff der Länge zu bringen.
Dennoch spricht Riemann selbst vom Flächeninhalt eines Drei
ecks, andere geben z. B, Formeln für die Winkel; es ist klar,
dafs das nur willkürliche Festsetzungen, nicht aber Folgerungen
aus den gegebenen Prämissen sein können.
In der That sind es vorzüglich zwei Methoden, nach denen
diese Formeln gewonnen werden. Gewöhnlich läfst man sich
durch blofse Analogie leiten. Ein n-dimensionales Gebilde wird
in einem (n -f- m)-fach ausgedehnten euklidischen Raume voraus
gesetzt. Zur Untersuchung dieses Raumes benutzt man n-f m
Gröfsen y l5 y 2 ... y n +m, welche das Analogon der rechtwinkligen
Cartesischen Koordinaten bilden. In diesen Koordinaten kann
man die Ausdrücke für Winkel, Inhalt u. s. w. dadurch erhalten,
dafs man die bekannten für den dreidimensionalen euklidischen
Raum geltenden Formeln auf n-J-m Variabele überträgt. Um
hieraus die entsprechenden Formeln für das n-dimensionale Ge
bilde zu erhalten, drückt man die Gröfsen yi . . . y n +m durch n
Variabele x t . . . x n aus, setzt also y t . . . y n+m als Funktionen
von x t . . . x n voraus. Dann wird man auch die Formeln für
den Inhalt, für Winkel u. dgl. durch die Gröfsen . . . x n dar
stellen, wenigstens so lange man sich auf unendlich kleine Ge
biete beschränkt. Alle diese Ausdrücke treten in auffallend enge
Beziehung zu der Form, welche das Linienelement für die n
Variabein x x . . . x n annimmt. Man hält sich deshalb für berechtigt,
diese analytischen Formeln mit denjenigen geometrischen Be
griffen, denen sie bei dem gewählten Ausgange entsprechen, ganz
allgemein zu verbinden. Indessen kann auf diese Weise die
Grundlage der Geometrie nicht gewonnen werden, da man einer
seits bereits die Geometrie benutzt, um gewisse Formeln zu er
halten, andererseits die Ausdrücke durch blofse Analogie, nicht
aber durch naturgemäfse Entwicklung erlangt werden. (Selbst
verständlich hat es kein Bedenken, diese Methode zu befolgen,
wenn es sich um rein analytische Entwicklungen handelt und