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Achter Abschnitt. § 8.
der Linie liegt, zusammenfallen; er mufs auch während der ganzen
Bewegung auf derjenigen, vom ruhenden Punkte ausgehenden
Halbgeraden verbleiben, der er in der Anfangslage angehört. Dies
Beispiel läfst also die Liesche Deutung nicht zu.
7. Nun zeigt Lie, dafs bei der strengen Deutung die ersten
drei Helmholtzschen Axiome für sich ohne das Monodromie-
Axiom ausreichen, aber bei anderer Deutung seine Hypothesen
noch Möglichkeiten zulassen, welche ausgeschlossen werden sollen.
Da wir wegen des einen von Helmholtz beigefügten Beispiels
seine Worte nicht in der ersten Weise deuten können, so müssen
wir leider anerkennen, dafs seine Axiome nicht genügen, um die
eigentlichen Raumformen den uneigentlichen gegenüber zu cha
rakterisieren. Der Begründung wegen erinnern wir an die in
§ 7, 14 (S. 326) behandelte Raumform. Auch hier bleibt bei
der Ruhe eines Punktes jeder Punkt einer Linie in Ruhe, aber
jeder andere Punkt kann noch in einer Fläche derartig bewegt
werden, dafs die Gesamtheit der Bewegungen von drei Parametern
abhängt. Wird noch ein zweiter Punkt und damit eine zweite
Linie in Ruhe gehalten, so bewegen sich alle anderen Punkte in
geschlossenen Linien und kehren gleichzeitig in ihre Anfangslage
zurück. Diese Möglichkeit wurde von Helmholtz deshalb über
sehen, weil die Differential-Gleichungen der Bewegung eine wesent
liche Veränderung erleiden, wenn man sich in ihrem Ausdruck
auf die Glieder der ersten Dimension beschränkt.
8. So sehen wir denn, dafs die Axiome, von denen Helm
holtz ausgeht, nicht ausreichen, und dafs sein Beweis eine Lücke
enthält. Dennoch hüte man sich, die Bedeutung seiner Arbeit
zu unterschätzen. Seine Axiome stellen trotz ihrer Mangelhaftig
keit das Urbild dar, nach welchem alle späteren Versuche, die
eigentlichen Raumformen den allgemeinen gegenüber zu charak
terisieren, ohne Ausnahme gebildet sind. Auch die Lücken im
Beweise lassen sich auf dem von Helmholtz selbst eingeschlagenen
Wege beseitigen; indessen ist es nicht nötig, darauf einzugehen,
da mittlerweile die Theorie der Transformations-Gruppen uns
einfachere Methoden darbietet.