Axe.
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Axen der Krystalle.
3. Dagegen giebt es Systeme im Raum,
bei deren Anblick man sogleich eine
Hauptlinie, eine Axe erkennt: Für die
abgekürzte Pyramide, Fig. 6, pag. 6, ist
es offenbar nur eine Linie, nämlich die
gerade Verbindungslinie A'A der Mittel
punkte beider Endflächen, für die ganze
Pyramide die gerade Verbindungslinie
der Spitze und des Grundflächenmittels
A. Desgleichen in dem abgekürzten Ke
gel Fig. 7, die gerade Verbindungslinie
li der Mittelpunkte beider Endkreise. Bei
der Ellipse apgp', Fig. 11, pag. 12, nimmt
man zwei solcher Hauptlinien wahr, die
grofse Axe aq und die kleine Axe
pp'. Bei der Parabel und bei der Hy
perbel erkennt man wieder nur eine
Hauptlinie, nämlich die gerade Linie,
welche vom Scheitel aus gezogen die
Fläche in 2 congruente Theile theilt.
Die eben gedachten Axen sind also
nicht willkürlich gewählte, sondern in der
Natur der Raumgröfsen begründete, sie
sind natürliche Axen, und wenn auch
durch sie die Lagen der Punkte krummer
Linien, der Ecken, Kanten und Ober
flächen von Körpern am einfachsten zu
bestimmen sind, so sieht man von dieser
Eigenschaft ab und definirt in der Geo
metrie: Axe als gerade Linie, um welche
herum alle Punkte der Raumgröfse sich
regelnväfsig gruppiren. Oder im Besonde
ren : Axe einer krummen Linie, die gerade
Linie, durch welche die krumme in zwei
gleiche und gleich liegende Theile ge-
theilt wird. Axe von ebenen Figuren
sagt man nicht. Axe eines geometrischen
Körpers, die gerade Linie, in welcher die
Mittelpunkte aller parallelen, einander
ähnlichen Durchschnittsebenen liegen. (S.
Axen der Krystalle.)
4. In den mechanischen Wissenschaften,
die nur Ruhe und Bewegung, und zwar
fortschreitende und drehende Bewegung
als Wirkung von Kräften betrachten, ist
Axe diejenige gerade Linie, um welche
Drehung geschieht, oder um welche Dre
hung gedacht werden soll. Diese Axe
ist also in dem ganzen System die einzige
Linie, welche sich nicht dreht, und von
welcher jeder einzelne Punkt des ganzen
Systems einerlei Abstand behält. Die
Axe kann aber fortschreiten, wie die Axe
eines Rades am Wagen (s. Achse). Bei
einem Wasserrade bleibt die Axe (die
Mittellinie der Wasserradsw'elle, oder viel
mehr die gerade Verbindungslinie der
Mittellinien beider cylindrischen Well
zapfen) in Ruhe.
Ein Pendel macht seine Schwingungen
um eine schwache metallene Achse; die
Mittellinie derselben, welche horizontal
und also zugleich auf der Schwingungs
ebene normal ist, ist die Axe des
Pendels, und heifst Oscillationsaxe,
Schwing ungsaxe.
Eben so ist bei einem Balancier,
z. B. bei dem einer Dampfmaschine oder
einer Krämerwaage (dem Waagebalken)
die horizontale Mittellinie der Zapfen
die Axe.
Geometrisch betrachtet kann für einen
Kreis oder eine Kugel jeder Durch
messer als Axe angesehen werden, aber
weil von allen diesen Durchmessern kein
einziger vor dem andern sich auszeichnet
(als Hauptlinie auftritt), so werden diese
Durchmesser nicht Axen genannt.
Mechanisch betrachtet haben aber Kreis
und Kugel Axen: die Axe des Kreises
ist die durch den Mittelpunkt auf der
Kreisebene normal gedachte gerade Linie,
indem man sich denkt, dafs ein Halb
messer um diese Axe gedreht mit seinem
Endpunkt die Kreislinie beschrieben hat.
Axe einer Kugel ist derjenige Durch
messer, um den die Kugel sich dreht
oder sich drehend gedacht wird. Die
Endpunkte einer Kreisaxe und einer Ku-
gelaxe heifsen Pole. So hat die Erd
kugel bei ihrer wirklichen Umdrehung ei
nen Durchmesser, welcher von der Dre
hung ausgenommen ist, um den die Dre
hung geschieht, und dieser ist also die
Erd axe. Eine Weltaxe aber, die in
jedem Augenblick mit der Erdaxe als
einerlei angesehen wird, obgleich diese
einen Raum von c. 40 Millionen Meilen
Durchmesser durchläuft, ist nur scheinbar
vorhanden, indem um diese, in dem Ort
so sehr veränderliche Linie das ganze
Weltgebäude sich nur zu drehen scheint,
wiewohl es in Ruhe verbleibt (s. Aequator).
5. Sind bei einer Axendrehung die
Massen nach allen Seiten hin um die
Axe gleiehinäfsig vertheilt, dafs also jeder
einzelnen Masse eine ihr gegenüber lie
gende, gleich grofse und von der Axe
gleich weit entfernte Masse entspricht,
und dafs sich somit die Schwungkräfte
einander aufheben, so empfängt oder er
leidet die Axe keine Druckwirkung und
heifst freie Axe. (In der Technik wird
sie oft balancirte Axe genannt.)
Axen der Krystalle. Diese sind gerade
Linien, die man durch die Mitte des
Krystalls gelegt sich vorstellt und als
Axen betrachtet, insofern um dieselben
sämmtliche die Form des Krystalls be
stimmenden Stücke: die Flächen, Ecken
und Kanten, symmetrisch gruppirt sich
befinden.
Die A. eines Krystalls sind dreierlei
Art: Entweder sie verbinden zwei ent-