Axiom.
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Axiom.
„Was sich deckt, ist einander
gleich,” aufgestellt hat. Der zweite
Schlufs ist: Gleiche Winkel können so
auf einander gelegt werden, dafs beide
Schenkel über einander fallen; ein Satz,
den Euklid ebenfalls stillschweigend als
nothwendig wahr anerkannt wissen will.
Euklid fährt fort: Nun fällt nach Obigem
auch B auf E. Folglich fällt BC auf
EF. Dieser Schlufs ist mit dem 12ten
Grundsatz begründet: Zwei gerade Li
nien schliefsen keinen Raum ein,
welches aber stattfinden würde, wenn BC
oberhalb oder unterhalb EF fiele. Der
Schlufs aber beruht offenbar viel ein
facher auf dem von Euklid nicht aufge
stellten Grundsatz: „Zwischen zweien
Punkten ist nur eine gerade Linie
möglich.” Hieraus ginge denn hervor,
dafs die gerade Linie BC gedeckt wird,
und hieraus wieder mit Hülfe des 8ten
Grundsatzes, dafs beide gerade Linien
einander gleich sind.
Endlich sagt Euklid ganz richtig: folg
lich ist (8. Grundsatz) BC=EF-, AABC
= A DEF-, Z ABC = z. DEF; ZACB =
ZDFE.
Alle folgenden Lehrsätze im Euklid
werden mit Berufung auf den 4ten Satz,
als den ersten Lehrsatz, und auf Grund
sätze bewiesen, mithin beruht die Wahr
heit des ganzen Euklidischen Lehrge
bäudes nur auf Grundsätzen.
Es ist dies aber natürlicher Weise mit
jedem anderen Lehrgebäude der Geome
trie der Fall; auch stellt jeder Verfasser
eines Lehrbuchs nicht dieselben Sätze als
Grundsätze auf. So z. B. hat man in
Lehrbüchern den 10. Euklidischen Grund
satz: „Alle rechte Winkel sind einander
gleich,” als Lehrsatz, der bewiesen wird.
Wie oben erwähnt, hat Euklid die Deckung
gleicher Winkel als von selbst verständ
lich angesehen; dieser Satz findet sich
auch als Lehrsatz und wird bewiesen,
nachdem die Erklärung: was unter
kleineren und gröfseren Winkeln zu ver
stehen ist, vorausgeschickt worden.
Denn kein Mensch denkt wie der an
dere, es müfste denn zufällig sein, gewifs
aber denkt jeder Mensch selbstständig;
mithin liegt es in dem Gedankensystem
eines jeden Verfassers von Lehrbüchern
über Mathematik, welche Sätze er als an
sich verständlich voranzustellen und sein
Lehrgebäude darauf zu gründen geeignet
findet.
Wenn aber Philosophen behaupten, dafs
mathematische Beweise keine Beweise
sind, weil sie sich auf Sätze gründen,
auf Grundsätze, die nicht zu beweisen
sind, so ist das ein Irrthum: Von allen
den Wahrheiten, die in der Welt uns
gegeben sind, bedarf für den Geist, der
sie zu fassen vermag, keine einzige des
Beweises. Dafs Wahrheiten uns tiefer
liegen als andere, dafs jene zusammen
gesetzter, diese einfacher sind, liegt nicht
in den Wahrheiten, sondern in uns selbst,
in der Unvollkommenheit unseres Geistes.
Dem Forschersinn des Menschen, der
auch jene ihm tiefer liegenden Wahr
heiten möglichst ergründen wollte, war
es also nöthig, die zusammengesetzteren
Wahrheiten aus zunächst einfacheren,
von ihm erkannten Wahrheiten als noth
wendig wahr abzuleiten, und um eine
Wissenschaft zu gründen, zu erforschen,
ob Sätze, die selbstredend wahr sind, nicht
dennoch zusammengesetzt wären, und auf
noch einfachere Sätze, auf Sätze, die
noch viel eher selbstredend wahr sind,
als Folgerungen zu begründen.
Der einfachste Satz, ein als wahr un
bestreitbarer Satz (es giebt Philosophen,
die Alles bestreiten, welche die Vernunft
erfinden wollen und nicht daran denken,
dafs sie vom Schöpfer den ihnen gebüh
renden Theil davon erhalten haben), also
ein Grundsatz ist: „Jede Gröfse ist
sich selbst gleich.” Wollte nun ein
Gelehrter die ganze Arithmetik auf diesem
einzigen Grundsatz als Fundament auf
bauen, so hätte er nur nöthig, eine be
liebige Gröfse als 3 Mal einzeln vorhan
den sich zu denken, und er könnte den
sonst als Grundsatz geltenden, offenbar
zusammengesetzteren Satz: „Wenn zwei
Gröfsen einer dritten gleich sind,
so sind sie unter einander gleich,”
als ersten Lehrsatz ganz streng beweisen.
Für die Geometrie freilich ist noch
wenigstens ein Grundsatz erforderlich,
denn Raumgröfsen haben einen anderen
Charakter als die nur in Einheit und
Vielheit bestehenden Zahlengröfsen, und
der Raum, dieser Begriff ohne alle Merk
male, hat erst als in 3 Richtungen vor
handen erkannt werden müssen. Nach
dem die nöthigen Erklärungen von Punkt,
gerader und krummer Linie, Richtung
u. s. w. aufgestellt worden, könnte der
obengedachte Grundsatz sein: „Gerade
Linien decken sich in allen Punk
ten.” Dann könnte man die eine Linie
von der anderen entfernen, und zwar,
indem man die oberste um einen mittle
ren Punkt dreht: es entstehen zwei sich
schneidende Linien und Winkel von ver
schiedener Gröfse; auf einer Seite werden
sie kleiner, auf der anderen gröfser, an
einem Ort beide einander gleich (rechte
Winkel). Wenn man eine zunächst untere
dritte Linie von der darüber befindlichen