Statik.
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Statik.
Bei den übrigen hier genannten Kör
pern ist die Stabilität derartig, dass
Veränderungen, denen sie entgegenwirkt,
nie eine merkliche Grösse erreichen,
oder um es präciser auszudrücken, die
äussersten Punkte des Körpers nicht
von ihrer anfänglichen Lage über den
Radius der Molekularsphäre hinaus ent
fernen. Diese Aenderungen sind also
stets zu vernachlässigen. Natürlich aber
findet die Stabilität nur so lange statt,
als die äussern Kräfte eine gewisse
Grösse nicht überschreiten. Geschieht
letzteres so ändert der Körper seinen Ag
gregatzustand, (zerreisst, zerbricht u. s.w.).
Andere Körper aber besitzen die Stabi
lität nur in geringerem Masse, d. h. die
Formänderungen nehmen eine merkliche
Grösse an. Dies ist z. B. bei den ela
stischen Körpern der Fall. (Vergl. den
Artikel: „Schwingungen elastischer Kör
per“.) Die bezeichneten Kräfte gehören
den Cohäsionskräften an.
Wir müssen jetzt noch etwas auf die
jenigen Kräfte eingehen, die zwischen
den Punkten zweier verschiedenen Kör
per herrschen, und haben hier nament
lich diejenigen Einwirkungen zu bespre
chen, welche die Erscheinungen hervor
bringen, die man gewöhnlich Undurch
dringlichkeit der Körper nennt.
Wenn ein Punkt A sich einem andern
B bis auf eine gewisse, an der Grenze
des Gebiets der Molekularkräfte liegende
Entfernung nähert, so kann derselbe
nicht näher an A heranrücken, d. h. es
findet eine abstossende Kraft von B aus
statt, die mit der Annäherung so gross
wird', dass sie die derselben entspre
chende Geschwindigkeit aufhebt.
Setzen wir jetzt statt des Punktes B
einen Körper, von dem wir jedoch zu
nächst voraussetzen, dass seine Ober
fläche in der Nähe von A continuirlich
gekrümmt sei. Da der Punkt A sich
an der Grenze der Molekularanziehung
von B befindet, so wird, wenn man von
A eine Normale an B zieht, nur in
dieser Richtung eine Einwirkung zwi
schen B und A stattfinden, da alle an
deren Punkte von B ausserhalb der
Molekularsphäre liegen. Also:
„Die Kräfte, die von einem Körper
auf einen ihm unmittelbar nahen Punkt
wirken, haben eine Resultante die nor
mal auf die Oberfläche des Körpers ist
und demjenigen Theil der zukommenden
Geschwindigkeit, welcher nach dieser
Normale gerichtet ist, und auf Annähe
rung an den Körper wirkt, das Gleich
gewicht hält.“
Setzen wir an der Stelle des Körpers
eine continuirlich gekrümmte Fläche, so
bleibt das Gesagte noch richtig.
Wenn man sich anstatt des Körpers B
eine blosse Curve denkt, d. h. einen Kör
per bei dem zwei Dimensionen gegen
die dritte verschwindend klein sind, so
muss die Anziehung zwischen A und B
aus den eben gegebenen Gründen auf
dieser Curve normal sein. Nun aber
gibt es für jeden Punkt einer Curve
unendlich viel Normalen, welche alle
sich in der Normalebene befinden. Es
ist also in diesem Falle nicht völlig die
Richtung der Einwirkung gegeben, son
dern nur bekannt, dass dieselbe in der
Normal ebene liegt.
Ganz ähnlich verhält es sich, wenn A
sich auf einem Körper oder einer Fläche
oder in einem Punkte befindet, der kei
ner continuirlichen Krümmung, sondern
einer (graden oder gekrümmten) scharfen
Kante angehört. Aus denselben Grün
den wie vorhin wird dann die Einwir
kung der Kante normal sein. Hier lässt
sich aber die Richtung des Druckes völlig
bestimmen. Sei nämlich EF (Fig. 411)
die Tangente der Kante in A, legen wir
durch dieselbe eine Ebene, welche den
Ebenenwinkel halbirt, und ziehen auf
der Kante senkrecht zwei Linien AC
und AD, welche gleiche Winkel mit der
Halbirungsebene machen, deren Länge
aber glaich dem Halbmesser der Mole
kularsphäre ist. Nehmen wir aber noch
an, in der Umgegend der Kante finde
keine discontinuirliche Aenderung der
Dichtigkeit statt, so dass also hier die
Fläche oder der Körper als homogen zu
betrachten ist Jedem Punkt von AC
Fig. 411.