Quantität.
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Quantität.
eine Specialisirung der Aufgabe zeigt,
dass deren Auflösung eine imaginäre
Zahl gibt. Hieraus folgt:
I. „Das Rechnen mit imaginären und
complexen Zahlen geschieht derart, dass
man in dem Ausdrucke a-j- ßi i behan
delt wie eine reelle und unbestimmte
Buchstabengrüsse, aber der Definition
und der Rechnungsregel gemäss:
i 2 = y(—1)* = —1
setzt, also immer, wo sich das Quadrat
von i einstellt, dies mit der negativen
Einheit vertauscht.“
Es ist also sonach z. B., indem man
i sich als willkürlich denkt und einen
Satz vom Multipliciren anwendet:
(«-f-ßi) (/-f di) = ay + {ßy-\- ad)i+ßdi 2
= c<y — /ScF-f- (ßy 4- «d) i.
Es ist aber bereits in dem Artikel „Qua
dratwurzel“ gezeigt woi'den, dass eine
negative Zahl weder eine positive noch
eine negative Quadratwurzel haben kann.
Da nun alle Zahlen, welche durch Ver
mehren oder Vermindern aus der Ein
heit entstehen, entweder negativ oder
positiv (ganz oder gebrochen) sind, so
steht der Ausdruck y(—1) oder y( — « 2 )
in keiner Grössenbezichung zur Einheit;
er kann nicht im eigentlichen Sinne als
Grösse oder Quantität bezeichnet wer
den. Wesentlich unterscheidet sich hier
durch das Imaginäre von allen den Aus
drücken, negativen Zahlen, Brüchen, Irra
tionalzahlen, welche sich beim indirecten
Operiren ergeben. Während nämlich
bei gewissen Anwendungen diesen
Grössen möglicherweise die Realität nicht
zukommt, so ist dies doch (siehe den
vorigen Artikel) bei gewissen andern An
wendungen jedesmal der Fall, und na
mentlich in der allgemeinen Grössen
oder Zahlenlehre kommt ihnen diese
Realität zu, indem sie immer eine an
sich einen Sinn habende Operation an-
zeigen, z. B. die negative Zahl die des
Abziehens, der Bruch die des Theilens.
Beim Imaginären ist dies nie der Fall.
Es kann keine Grösse gehen, welche
durch Ausziehen der Wurzel aus —1
entstände. Sprechen wir daher von ima
ginären Grössen oder Quantitäten, so
ist dies ein uneigentlicher Ausdruck, den
wir eben nur des Gebrauchs wegen an
nehmen. Der Ausdruck imaginäre Zahl
ist richtiger, weil wir bei dem Worte
Zahl in seiner allgemeinen Bedeutung
eben nur an die Resultate von Rech
nungsoperationen, gleichviel, ob diesel
ben auf reelle Grössen führen oder nicht,
zu denken veranlasst sind.
Es scheint sonach, wenn man nur
das eben Gesagte berücksichtigt, das
Rechnen mit dem Imaginären nur die
Bedeutung zu haben, dass wenn ein
Resultat einer Aufgabe auf solche oder
complexe Zahlen führt, damit angedeutet
ist, dass die Aufgabe des Resultates ent
behre, dass derselben aber an sich nichts
Widersinniges zu Grunde liege, sondern
dass nur die gewählten Grössenverhält
nisse so getroffen sind, dass sie keine
Lösung zulassen. Z. B. sollte man den
Flächeninhalt eines Dreiecks berechnen,
dessen Seiten 9, 5 und 2 Fuss sind, so
würde die Lösung auf einen imaginären
Ausdruck führen, welcher andeutet, dass
zwar aus drei Seiten eines Dreieckes
sich der Flächeninhalt desselben ergebe,
dass aber ein solches Dreieck unmöglich
sei bei den gewählten Maassverhält
nissen, da in keinem Dreiecke die Summe
zweier Seiteu kleiner als die dritte sein
kann.
Aber schon diese beschränkte Auf
fassung des Rechnens mit imaginären
Grössen als blosser Nachweis, dass eine
Aufgabe unmöglich sei, zeigt die Noth-
wendigkeit, sich mit diesen Grössen zu
beschäftigen, und die Art, wie dies ge
schehen muss, nämlich der gegebenen
Regel I. gemäss. Namentlich aber muss
man wissen, wann durch Verbindung
imaginärer Ausdrücke sich ein reelles
Resultat ergibt, wie dies ja geschehen
kann, in welchem Falle dann die Auf
gabe einer Lösung zugänglich ist. Es
kommt daher darauf an, mit Benutzung
der Regel I. die Resultate der Rech
nung mit complexen und imaginären
Zahlen auf ihre einfachsten Formen zu
rückzuführen, und is.t dabei ein Erwägen
der Bedeutung der einzelnen Operationen
in Bezug auf das Imaginäre nöthig.
Das Resultat dieser Erwägung ist dann
in dem sogleich zu begründenden, höchst
wichtigen Satze enthalten:
II. „ Alles Rechnen mit complexen
Zahlen von der Form n+ßi führt immer
auf eine ähnliche Form zurück.“
Aber noch von einem andern Gesichts
punkte aus zeigt sich die Nothwendig-
keit des Operirens mit complexen Zah
len, wenngleich dieser Gesichtspunkt sich
nicht a priori ergibt, sondern erst mit
dem Fortschreiten der mathematischen
Wissenschaften gefunden werden konnte.
Es finden nämlich zwischen verschiede
nen Functionen und Grössen, auf die
man von ganz verschiedenen Betrachtun
gen aus gekommen ist, Beziehungen
statt, welche erst durch den Gebrauch
des Imaginären vermittelt und aufgefun-