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2. Die scheinbaren, wahren und mittleren Örter der Fixsterne.
Die unmittelbar durch Beobachtung gefundenen Koordinaten —
z. B. die Rektascension und Deklination — geben zunächst nur den
scheinbaren Ort eines Sterns und zwar aus einem doppelten
Grunde, wegen der Einwirkung der Aberration und der Re
fraktion. Wird der Ort von diesen beiden Einflüssen (vgl. sphär.
Astr., S. 46, 53 u. ff.) befreit, dann erhält man die wahren
Koordinaten, bezogen auf das zur Zeit der Beobachtung stattfindende
wahre Äquinoktium und die wahre Lage der Weltachse. Wiederholt
man zu verschiedenen Zeiten die Beobachtung desselben Sterns und
geht jedesmal ans seine wahren Koordinaten zurück, dann ergeben sich
wegen der unaufhörlichen Bewegung des Äquinoktiums und des Pols
(der Präcession und Nutation) immerfort andere Koordinaten des
Sterns, auch wenn derselbe sich in absoluter Ruhe befände. Um des
halb die Örter eines Sterns zu verschiedenen Zeiten miteinander
vergleichen zu können, muß man zunächst noch die Nutation von den
wahren Koordinaten absondern, dann aber auch noch weiter — wegen
der Verschiedenzeitigkeit der Beobachtungen — den Betrag der Prä
cession in Anschlag bringen, indem man etwa alle Koordinaten auf
das mittlere Äquinoktium der ersten Beobachtung reduciert. Jede
Beobachtung liefert dann den Ort des Sterns, bezogen auf das
selbe mittlere Äquinoktium und den zugehörigen mittleren Pol, und
die ans dies feste System reducierten Koordinaten heißen die mitt
leren Koordinaten des Orts, sowie man den durch diese Koordinaten
dargestellten Ort den mittleren Ort des Sterns zu nennen pflegt.
Der scheinbare, von Refraktion und Aberration beeinflußte Ort ist
demnach thatsächlich verschieden von dein wahren oder mittleren Ort,
indem jener in einen anderen Ort der Sphäre fällt. Hingegen haben
der wahre und mittlere Ort denselben Visionsradius, sie liegen in
demselben Orte der Himmelssphäre; dieser ist nur aus verschiedene
Koordinatensysteme bezogen, das eine Mal auf das wahre, das
andere Mal auf ein festes mittleres Äquatorsystem. Die Befreiung
eines Orts von den Einflüssen der Aberration und Refraktion, sowie
die Reduktion des zu verschiedenen Zeiten beobachteten Orts auf ein