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und dasselbe feste System — mit anderen Worten, die Feststellung
des mittleren Orts bildet die notwendige Vorbedingung für die Be
antwortung der Frage, ob in den Zwischenzeiten der Beobachtung
eine Ortsveränderung stattgefunden hat. Die Sternkataloge,
welche vorzugsweise bestimmt sind, dieser Untersuchung als Grundlage
zu dienen, enthalten deshalb die mittleren Örter der Sterne, d. h.
ihre Koordinaten, bezogen auf das zu einer bestimmten Epoche statt
findende mittlere Äquatorsystem.
Ergeben nun spätere Beobachtungen eine Änderung der mittleren
Koordinaten eines Sterns und sind die Beobachtungen nahezu in
demselben Orte der Erdbahn angestellt, so daß der Einfluß einer
etwaigen jährlichen Parallaxe (s. später) hierbei nicht zu befürchten ist,
dann nennt man die stattgefundeue Ortsveränderung die Eigen-
bewegung des Sterns. Aber auch selbst die so nachgewiesene Orts
veränderung gestattet noch nicht den Schluß auf eine wirkliche, dem
Sterne allein oder teilweise innewohnende Bewegung. Denn es steht
fest, daß unser gesamtes Sonnensystem sich in einer progressiven Be
wegung befindet, infolge dessen unser Standpunkt den Sternen gegen
über ein fortwährend anderer wird. Die sog. Eigenbewegung könnte
also sehr wohl ausschließlich, und muß wenigstens zum Teil dieser
Änderung des Standpunkts (der Parallaxe) seine Entstehung verdanken.
Man ist deshalb gezwungen, jene Ortsveränderung sich zunächst immer als
das Resultat zweier Bewegungen zu denken, deren eine die scheinbare
Eigen bewegn ng (motus parallacticus), deren andere die wirk
liche Eigen beweg nng (motus peculiaris) darstellt. Diese beiden
Komponenten zu trennen, ist nun zwar eine sehr wichtige, aber auch
sehr schwere Aufgabe. Im allgemeinen muß man bei dieser Absonderung
von dem auch in vielen anderen, ähnlichen Fällen angewendeten Grund
sätze ausgehen, daß dieselbe Ursache überall eine gleiche Wirkung
hervorbringt. Die fortschreitende Bewegung der Erde int Welträume
hat bei allen Sternen eine scheinbare Eigenbewegung zur Folge und
es kommt also darauf an, vor allem diese gemeinsame Bewegung zu
ermitteln. Erst den Rest, welcher nach Abzug dieser allen Sternen
gemeinschaftlichen Ortsändernng verbleibt, darf man als die wirkliche
Eigenbewegung ansehen. Es ist einleuchtend, daß eine einigermaßen