Vorwort.
Zur Einführung in das vorliegende Werk erscheint es mir an
gebracht, einige Bemerkungen allgemeinerer Natur vorauszuschicken.
Im Laufe der Zeit hat die Stellung der Analysis zur Geometrie
und zu den verschiedenen Zweigen der angewandten Mathematik viele
und beträchtliche Wandlungen durchgemacht. Während der vergangenen
Jahrhunderte hat die gegenseitige Anregung die Einzeldiseiplinen er
heblich gefördert. Dabei herrschte bald die eine, bald die andere
Disciplin vor. Dies letztere liegt in der Natur der Sache und ist an
sich nicht zu bedauern. Aber in unserem Jahrhundert hat eine Zer
splitterung der Mathematik in viele und dabei sehr umfangreiche ein
zelne Fächer stattgefunden, und diese Zerteilung hat oft dazu geführt,
dass die Vertreter des einen Faches die Wichtigkeit der übrigen Fächer
verkannten, sodass sie infolge dessen den von den anderen Fächern
ausgehenden befruchtenden Ideen zum Schaden der Entwickelung ihrer
eignen Disciplin gleichgültig oder gar abweisend gegenüberstanden.
Es sei gestattet, zur Erläuterung dieser Bemerkungen in knappen
Worten an einige Entwickelungsphasen der Mathematik zu erinnern.
Bei den alten Griechen war die Geometrie die fast ausschliesslich
herrschende Disciplin der Mathematik. Eine abstracte Analysis gab es
noch nicht, und selbst die Astronomie und die Mechanik ordneten sich
der Geometrie unter. Nach beachtenswerten Ansätzen bei Diophant
und bei den Indern entwickelte sich erst in der Menaissancezeit eine
Algebra, ein Formelapparat, dessen Fehlen bei den so scharfsinnigen
Griechen stark fühlbar ist.
Alsdann wurde durch die Einführung des Coordinatenbegriffes und
durch die Schöpfung der analytischen Geometrie durch Descartes
eine epochemachende Verknüpfung zwischen Geometrie und Analysis
zustande gebracht, die bald zu dem wahren Fundamentalbegriff der
Mathematik, zum Begriff der Function, führen sollte. Die im Keime
schon in Archimedes’ geometrischen Untersuchungen auftretenden
Begriffe: Integral und Differentialquotient entwickelten sich nach
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