Full text: Grundzüge der antiken und modernen Algebra der litteralen Gleichungen

§ 199. Historische Bemerkungen. 
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eam me rogante invenit.“ Dieser talentvolle Schüler Cardan’s (geh. 1522, 
gest. 1565) war später Prof, der Mathematik in Mailand und an der 
Universität in Bologna. Er betheiligte sich auch an den Streitigkeiten, 
welche zwischen Cardano und Tartaglia ausgebrochen waren*). 
Es gelang ihm, die Methode Cardano’s mit einem neuen Gedanken 
zu verbinden. Er bildete aus der biquadratischen Gleichung zunächst 
zwei Seiten, in welchem die eine das Quadrat eines Binoms bildete; 
sodann fügte er zu beiden Seiten eine Hülfsgrösse hinzu dergestalt, 
dass die erste noch ein Quadrat blieb, und zugleich die andere zu einem 
solchen ergänzt wurde. Diese Methode ist später (1745) durch Simp 
son zum Zwecke der Auflösung vollständiger biquadratischer Gleichun 
gen verallgemeinert worden. Cartesius in Leyden erfand 1637 die 
Methode, eine biquadratische Gleichung, in welcher das zweite Glied 
fehlt, in zwei quadratische Factoren zu zerlegen. Er veröffentlichte 
seine Methode in seiner Geometrie, jedoch ohne Beweis. Yan Schoo- 
ten, Hudde und Beaune haben sie dann in ihren Commentaren be 
wiesen. Einen neuen Aufschwung nahm dann die algebraische Ana 
lysis im 18. Jahrhundert durch die Arbeiten von Euler, B 6z out, 
Lagrange, Yandermonde, Mailet und Hulbe. Die beiden letzt 
genannten Algebristen eröffneten in der Behandlung der Gleichungen 
einen neuen Gesichtspunct durch ihr Verfahren, die Unbekannte zu 
variiren und die Coefficienten der variirten Gleichung gewissen Be- 
dingungenzu unterwerfen, wodurch diese auf einfacher lösbare Gleichungen 
reducirt werden. Unter diesen Methoden verdient als die vorzüglichste 
hervorgehoben zu werden, eine biquadratische Gleichung in eine andere 
desselben Grades zu transformiren, deren Wurzeln eine geometrische Pro 
portion bilden, oder welche sich in eine reciproke Gleichung verwandeln 
lässt. Diese Methode, welche Mailet, Prof, der Mathematik in Upsala, 
1780 veröffentlichte, ist zu oft wiederholten Malen nacherfunden worden, 
und zwar von Hulbe 1794, von Björling 1852, von Schlömilch 1861, 
von Unferdinger 1864, von Pokorny 1865, von Alexandre 1866. 
Mit einer zweiten Erfindung Mallet’s, die vollständige kubische Gleichung 
in den Kubus einer zweitheiligen Grösse zu transformiren, ist es ähn 
lich zugegangen. Sie ist nacherfunden von Hulbe 1794, von Co ekle 
1841, von Bretschneider 1844, von Arndt 1865, von Alexandre 
1866. Bei einem Theile der Analysis, welcher von jeher das allseitige 
Interesse der Mathematiker in dem Grade fesselte., wie die Algebra 
der Gleichungen es vermocht hat, dürfte diese Erscheinung nicht all 
zusehr unsere Verwunderung erregen. Es ist verzeihlich, wenn der 
Geschichtsschreiber Hankel sich in seiner Entrüstung über Car 
dano so ereifert und in seinem Mitgefühl für den unglücklichen Tar 
taglia sagt: „Der Mann, dem wir den grössten Fortschritt in diesem 
Jahrhundert verdanken, wurde vergessen, seine Methode als die von 
Hudde bezeichnet und nacb dem treulosen Cardano die dem Tar 
taglia entwendete Formel benannt. — — — Cardano hatte die 
*) Man sehe Libri, Hist. math. III. 180; Grün. Arch. LII. S. 143. 
Matthiessen, Grundzüge d. ant. u. mod. Algebra. 35
	        
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