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Siebenter Abschnitt. § 8.
welche diese Gerade in A berühren. Auf beiden Seiten werden
die Radien der Kreise und damit die Bereiche fortwährenden
Wachstums immer kleiner; es existiert also keine von null ver
schiedene untere Grenze. Nun beruhen die weiteren Beweise
darauf, dafs für jede Fläche der Bereich fortwährenden Wachs
tums von null verschieden ist, stützen sich also auf einen Satz,
der unmöglich richtig sein kann.
13. Die Annahme, dafs es in jeder Fläche um einen be
liebigen Punkt einen Bereich fortwährenden Wachstums giebt, darf
hiernach wohl als der fundamentale Fehler in Tillys System be
zeichnet werden. Wenn im Vergleich hiermit die übrigen Mängel
des Werkes auch weniger in Betracht kommen, so möchten wir
doch die Art und Weise noch erwähnen, wie diejenige Drehung
um einen Punkt eingeführt wird, bei der jeder Punkt eine in sich
verschiebbare Linie beschreibt. Bei einer solchen Bewegung soll
die Veränderung betrachtet werden, die in einem Augenblick vor
sich geht; da, heifst es, werde der Punkt A durch einen Punkt
B ersetzt, B durch C u. s. w. Eine solche Darstellung wäre nur
gestattet, wenn auf jeden Augenblick ein anderer unmittelbar
folgte, und wenn es in einer Linie zu jedem Punkte einen be
stimmten unmittelbar vorangehenden und einen unmittelbar fol
genden gäbe. Da beides nicht der Fall ist, kann man den Beweis
nicht für genügend erachten.
§ 9-
Veroneses Aufbau der Geometrie.
Das groise Werk Veroneses »Fondamenti della Geometria«,
welches vor kurzem auch in einer deutschen Ausgabe erschienen
ist, 22 ) zerfällt nach einer Einleitung in zwei Teile, von denen der
erste »die Gerade, die Ebene und den Raum von drei Dimen
sionen im allgemeinen Raum« behandelt, während der zweite
Teil dem »Raum von vier und n Dimensionen im allgemeinen
Raume« gewidmet ist. Ein Anhang befafst sich mit historisch
kritischen Untersuchungen über die Principien der Geometrie.
So wichtig die Einleitung, in der die »Fundamentalsätze über die
abstrakten mathematischen Formen« entwickelt werden, auch für
das ganze System sind, müssen wir uns doch versagen, darauf
hier einzugehen. Zwei besonders wichtige Kapitel sind im fünften