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Forschen und Darstellen.
Trotzdem tritt nach der obigen Beurteilung die Beschäftigung mit
heikler Mathematik stark zurück und wird ihren Fragen die Be
handlungsweise, die oben als notwendig bezeichnet wurde, keines
wegs allgemein zugewendet. Anders kann es auch nicht sein, solange
der Mensch hauptsächlich darauf angewiesen ist, sich in der Welt
zu behaupten, wodurch auch die Richtung der geistigen Arbeit
beeinflußt werden muß. Das Verlangen nach greifbaren Ergebnissen
muß überwiegen und die Geneigtheit zu einer mehr entsagungs
vollen Betätigung mindern.
Die heikle Mathematik stellt in der Tat eine harte Forderung :
unbedingte Vollständigkeit der Gedankengänge.
Auch für die derbe Mathematik gilt es als ein Gebot, daß sie
rein deduktiv vorgeht. Dort handelt es sich aber wesentlich nur
um Ergebnisse, die anwendbar oder in der Mathematik selbst ver
wertbar sind; zu ihrer Begründung bedient man sich im allgemeinen
zusammengesetzter Gedankengänge, die man beherrscht und nicht
mehr zergliedert. Die Beschäftigung mit heikler Mathematik ent
springt dagegen dem Drange nach Erkenntnis überhaupt. Hier
kann nur befriedigen, was restlos zu Ende gedacht und aus
solchem Denken heraus dargestellt ist.
3. Folgern aus einem Stamm.
Die Mathematik soll rein deduktiv Vorgehen. Was ist damit
gesagt?
Nehmen wir den Fall der Geometrie und stellen wir uns auf
den Standpunkt, daß von geometrischen Begriffen nur projektive
bearbeitet werden sollen, und zwar nur die Begriffe: Punkt, Ebene,
Inzidenz (Aneinanderliegen). Ich stelle nur eine Gruppe von Sätzen
auf, zunächst in der gewöhnlichen Fassung:
(A.) Durch jeden Punkt gehen Ebenen. In jeder Ebene liegen
Punkte.
Mittels des Begriffs der Inzidenz erhalten diese Sätze die für
unseren Zweck geeignete Fassung:
(B.) Ist ein Punkt angegeben, so können Ebenen derart an
gegeben werden, daß zwischen jenem Punkt und jeder dieser
Ebenen Inzidenz besteht. Ist eine Ebene angegeben, so können
Punkte derart angegeben werden, daß zwischen jener Ebene und
jedem dieser Punkte Inzidenz besteht.
Insofern aus diesen Aussagen Folgerungen gezogen werden,
nenne ich sie die Stammsätze, die Gruppe B den Stamm,
die darin auftretenden Fachbegrijfe die Stammbegriffe 1 ). Die
gewöhnliche Fassung des Stammes B ist die Gruppe A. Aus A
l ) Siehe hierzu Seite 4, Fußnote 1.