I. Theil.
Vorkommen der Differentialgleichung.
A. Entstehung in der Physik.
§ 1. Indirectes Auftreten.
In der Physik gelangt man zur Differentialgleichung
Au -f- k 2 u = 0
(und zu verwandten) in den weitaus meisten und wichtigsten
Fällen dadurch, dass man für eine Function des Ortes und
der Zeit, welche einer linearen partiellen Differentialgleichung
zweiter Ordnung genügt, hinsichtlich ihrer Abhängigkeit von
der Zeit t eine bestimmte Annahme macht, nämlich sie gleich
dem Producte aus einer trigonometrischen oder Exponential-
function von t und einer Function der Coordinaten setzt,
welche letztere dann der hier zu betrachtenden Gleichung
genügen muss. Bei der einen Classe von Problemen, nämlich
denjenigen, hei welchen es sich um unendlich kleine freie
Schwingungen continuirlicher Körper handelt (a, t), c der unten
folgenden Aufzählung), führt man als von der Zeit abhän
gigen Factor eine trigonometrische Function der Zeit ein, weil
man nach Analogie der Fourier sehen Reihenentwickelung als
sicher annimmt, dass die allgemeinste solche Schwingungs
art eine Ueberlagerung unendlich vieler harmonischer, d. h.
durch trigonometrische Functionen von t darstellbarer Schwin
gungen ist. Diese Annahme findet eine Bestätigung in dem von
G. S. Ohm*) und H. v. Helmholtz**) aufgestellten akustischen
Erfahrungssatze, dass jeder von irgend einem schwingenden
Körper erzeugte Klang eine Ueberlagerung einfacher Töne
*) G. S. Ohm: Pogg. Ann. 59, 513—65, 1843; 62, 1 — 18, 1844.
'■**) H. v. Helmholtz: Pogg. Ann. 108, 280—290. 1859.