Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

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Die See- und Meerkarte. 
volle, das sich an ihre Entstehung knüpft, gab der wissenschaftlichen Forschung in 
neuerer Zeit immer wieder frische Impulse zur Betätigung. Zunächst gab man sich 
jahrhundertelang damit zufrieden, daß G. Mercator der Erfinder der nach ihm be 
nannten Projektion sei, ja heutigestags wird er selbst in wissenschaftlichen Kreisen 
noch als solcher verehrt. Wie Pallas Athene aus dem Haupte des Zeus geboren, ist 
die Projektion dem Haupte Mercators nicht entsprungen. Die Projektion mit ver 
größerten Breiten war bereits vor Mercator bekannt. Darauf hatte ich, durch ver 
schiedene Anzeichen bestärkt, 1910 hingewiesen. 1 Was ich in der Geographischen 
Zeitschrift vorbrachte, wurde in den Hauptzügen von H. Averdunk und J. Müller- 
Beinhard anerkannt. 1 2 Indessen waren meine mitgeteilten Indizien nicht beweis 
kräftig genug, so daß H. Wagner berechtigt war, meine Annahme als fraglich hin 
zustellen und Vorläufer Mercators nicht anzuerkennen. 3 Indessen sollte meine An 
nahme ' nur zu bald glänzend bestätigt werden, und zwar durch eine Karte im 
Germanischen Museum zu Nürnberg, auf die mich Aug. Wolkenhauer hingewiesen 
hatte. Sie ist hier in Originalgröße wiedergegeben (Taf. I). 4 Die Karte selbst ist 
auf den Holzdeckel einer kleinen Sonnenuhr mit Kompaß eingeschnitten bzw. ein 
graviert. Wie Wolkenhauer bereits erkannt, von J. Drecker aber sicher nachgewiesen 
ist 5 , stammt das Instrument aus der kunstfertigen Hand des Nürnberger Kompast 
machers Erhard Etzlaub. Es trägt die Jahreszahl 1511. Zweimal habe ich es unter 
sucht. Ein anderes ähnliches Exemplar aus dem Jahre 1513, das ebenfalls von mir 
eingehender untersucht und vermessen wurde, sah ich in Privatbesitz. 6 Die auf der 
Deckelseite befindliche Karte gleicht in der Ausführung und im ganzen Charakter 
auffällig der Karte von 1511. Die Umrißzeichnung der Kontinente ist ein klein 
wenig detaillierter und hie und da richtiger, wie bei Spanien. Die Namengebung 
der zweiten Karte ist auch etwas reichlicher, dagegen sind wiederum andere Namen 
weggelassen worden, wie Etiopia, Africa. Beide Karten sind nach S orientiert. Der 
Umfang ist etwa der gleiche; die von 1511 reicht vom Äquator aus bis 67° n. Br., 
die von 1513 bis GG 1 ^ 0 . Das gesamte Kartenbild ist auf der zweiten etwas nach W 
verschoben, so daß die afrikanische Küste den Kartenrand berührt und die Kanarischen 
Inseln nicht mehr verzeichnet sind. Auch ist die zweite Karte um ein weniges größer; 
1 M. Eckert: Die Kartenprojektion. G. Z. 1910, S. 303, 449, Anm. 1. 
2 H. Averdunk u. J. Müller-Reinhard, a. a. ()., S. 129. 
3 H. Wagner: Kartometr. Analyse, a. a. 0., S. 351. 
4 Die Karte ist photographisch doch ein wenig größer ausgefallen. Die erste Aufnahme, die 
ich vor dem Kriege herstellen ließ, war wiederum etwas zu klein. Man sieht, wenn es sich um präzise 
Nachmessungen handelt, möglichst aufs Original zurückgehen. Die Maße im Text beziehen sich auf 
das Original, das ich 1921 nochmals genauer untersuchte. 
5 J. Drecker: Ein Instrument, eine Karte und eine Schrift des Nürnberger Kartographen 
und Kompastmachers Erhard Etzlaub. Ann. der Hydrogr. usw. 1917, S. 217—224. 
6 Der Kompaß ist im Besitz von J. Drecker. Vor dem Kriege, als Drecker noch in Aachen 
weilte, untersuchte ich das Instrument, wobei ich ihm auseinandersetzte, daß in dem Kartenbild 
unbedingt ein Vorläufer der Mercatorprojektion zu erblicken sei. Dies machte sich Drecker zunutze, 
um dann während des Krieges, wo ich fern von Aachen im Felde weilte, in aller Ruhe seine Abhandlung 
über Etzlaub zu veröffentlichen und sich damit so ins Licht zu setzen, als ob er der Entdecker der 
Vorläufer der Mercatorprojektion sei, ohne meiner Anregung auch nur mit einem Worte zu gedenken. 
Kein Wunder also, daß E. Hammer (P. M. 1917) und W. Wolkenhauer (Erhard Etzlaubs Reise 
karte durch Deutschland 1501, Nicolassee bei Berlin 1919) in Drecker den Entdecker der Vorläufer 
der Mercatorprojektion ansahen. Das hat natürlich zu einer kleinen Kontraverse geführt; vgl. 
P. M. 1920.
	        
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