Erstes Kapitel.
Größen und Funktionen
§ 1. Vorläufiger Überblick.
Auf zwei Wegen kann man versuchen, eine mathematische
Aufgabe zu lösen, durch die Zeichnung und durch die Rechnung.
Die darstellende Geometrie und graphische Statik lehren,
daß sich viele Aufgaben am besten durch Konstruktion mit Zirkel
und Lineal auf dem Zeichenbrette bewältigen lassen. Die zeichne
rischen Hilfsmittel sind jedoch beschränkt und erlauben nicht, über
einen gewissen Grad der Genauigkeit hinauszugehen, der zwar für
manche Zwecke völlig ausreicht, aber nicht für alle. Der Zeich
nung haftet noch ein anderes Übel an: sie sagt etwas ganz Be
stimmtes aus, so daß sie, einmal hergestellt, keine Abänderungen
von Grund aus mehr verträgt. Es kommt aber gerade bei den
Anwendungen der Mathematik oft darauf an, in den Voraussetzungen
gewisse Willkürlichkeiten zu lassen, einstweilen noch nicht fest
zusetzen, wie groß dieser oder jener dabei auftretende Faktor sein
soll, vielmehr die geeignete Wahl einer nachträglichen Überlegung
vorzubehalten. Diese absichtliche Unbestimmtheit kann man bei
der zeichnerischen Lösung häufig nur schwer oder gar nicht be
rücksichtigen. Dagegen ist die Rechnung auch dann bis zu einem
gewissen Ziel durchführbar, wenn darin noch Buchstaben a, b, c . . .
Vorkommen, die irgendwie gewählte Zahlen bedeuten. Gerade auf
dem Rechnen mit Buchstaben, auf der Algebra, gründet sich die
Tragweite der rechnenden Mathematik und ihre Überlegenheit über
der bloß konstruierenden.
Dazu tritt ein anderer Vorteil: Das rechnende oder ana
lytische Verfahren gestattet, die Lösung einer Aufgabe mit jedem
gewünschten Grade der Genauigkeit zu gewinnen. Außerdem gibt
Scheffebs, Mathematik. 4. Aufl. 1