Full text: Lehrbuch der Mathematik für Studierende der Naturwissenschaften und der Technik

§ 1. Partielle Differentiation. 
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Satz 169: Das vollständige Differential einer stetigen 
und differenzierbaren Funktion von mehreren Veränder 
lichen ist gleich der Summe ihrer partiellen Differentiale. 
Dieser Satz ist ein wichtiges Grundgesetz in allen 
Naturwissenschaften. In der Physik tritt es als das Gesetz der 
Superposition unendlich kleiner Änderungen auf. Es besagt 
im Grunde, daß, wenn eine Wirkung durch unendlich kleine Ände 
rungen aller ihrer Ursachen eine andere wird, alle diese kleinen 
Änderungen unabhängig voneinander zur Gesamtänderung der 
Wirkung beitragen, so daß die unendlich kleinen Einzelwirkungen 
bloß zu summieren sind. Ein so einfaches Gesetz gilt durch 
aus nicht mehr hei Änderungen, die beträchtlich sind. 
Man kann aber sagen, daß dies Gesetz mit großer Annäherung 
gilt, wenn die Änderungen von x r , x 2 , ... x n verhältnis 
mäßig klein sind. Davon macht man häufig Gebrauch. 
8. Beispiel: Das Produkt % von n Veränderlichen z lt x 2 , ... x n hat 
die partiellen Differentialquotienten: 
ö % 
d Xi 
x 2 x 3 
(i — 1, 2 . . . n). 
Daher ist das vollständige Differential des Produkts 
d % — x 1 x 2 . . . x, 
dx, d Xc, 
1 + 
X-t Xn 
+ . • . + 
dx,. 
Die Formel für die logarithmische Differentiation in Satz 73, S. 317 
u. f., geht hieraus hervor, wenn für x x , x 2 , ... x„ lauter Funktionen u 1} u 2 , . . . u n 
von nur einer Veränderlichen x gesetzt werden. 
9. Beispiel: Bei einer Vermessung von einer Standlinie AB= c aus 
kann man die Entfernung l irgend eines Punktes P von der Standlinie 
durch das Verfahren des sogenannten Vorwärts- 
abSchneidens bestimmen, indem man die Winkel 
«=<lfi4P und ß — <ä A B P mißt, siehe Fig. 404. 
Es ist AL = l ctg a und LB = l ctg ß, wenn L den 
Fußpunkt des Lotes l von P auf AB bedeutet. Also 
ist c — l (ctg a + ctg ß), woraus folgt: 
l = 
ctg a + ctg ß 
Angenommen, beim Vermessen seien e, a und ß mit Fehlern behaftet, die als 
unendlich klein aufgefaßt werden dürfen und daher mit de, da und dß be 
zeichnet werden können; wie groß ist der dann ebenfalls unendlich kleine 
Fehler dl des Ergebnisses l? Es kommt: 
pl 1 dl _ c dl e 
öe ctg « + ctgß ’ da (ctg a + ctg ^Äsin 2 a ’ d ß (ctg « + ctg ß) 2 sin 2 ß
	        
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