Sechstes Kapitel. Lotterie-Anlehen und Lotterien. 205
den, was durchschnittlich eine tägliche Spielzeit von etwas mehr als 4 Stun
den ausfüllt, so müßte bei jedem Spiele durchschnittlich eine Summe von
110— 160 Fl. ausgesetzt werden, um das oben genannte Kapital in Um
lauf zu setzen. Diese Annahmen möchten nicht zu hoch gegriffen sein,
da an manchen Tagen zwei Roulette in Thätigkeit sind und die Einsätze
einzelner Spieler diese Summe nicht nur erreichen, sondern sogar übersteigen.
Bedenkt man nun, welche Summe für das Vergnügen und den Reiz
des Spiels hiernach in Bewegung gesetzt und dadurch anderen Zwecken ent
zogen wird, so liegt der Gedanke ganz nahe, daß dies verhindert und ein
Institut fortan nicht mehr geduldet werden möge, welches nur dazu vor
handen zu sein scheint, um eine Leidenschaft nicht nur zu befriedigen, son
dern sie von neuem immer wieder anzufachen, nachzuziehen, zu nähren' und
auszubreiten. Es genügt hier nicht, auf die Moral hinzuweisen und diese
als die Macht zu bezeichnen, welche durch ihre Einwirkung (also durch Ver
ödung) derartige Institute zu schließen hat. Es ist Pflicht der Staaten,
solche Institute im Interesse der Moral zu unterdrücken, damit nicht die
Leidenschaft bei ihrem Anblick Athem und Leben gewinne und in ihrer Ver
blendung Unglück, Jammer und Noth nicht nur in physischer, sondern noch
häufiger in moralischer Beziehung über den Einzelnen und in den Schooß
der Familien bringe. Es ist jedoch hier nicht der Ort, die Aufhebung der
öffentlichen Spiele, der Zahlen- und Classen-Lotterien rc. zu erörtern. Die
bisher vorgelegten Resultate des Calculs möchten genügen, um den Leser
in den Stand zu setzen, ein wohlbegründetes Urtheil über Aufhebung der
Spielinstitute, namentlich der Zahlen- und Classen-Lotterien, zu fällen, viel
leicht besser, als es die ausgeführteste und beredteste Erörterung vermag.
Gespielt wird werden und Spiele werden daher bestehen, so lange die
Menschen Langeweile und den Trieb fühlen, diese auf eine angenehme und
schmeichelnde, anstrengungslose Weise von sich abzuhalten, so lange der
unergründliche Wechsel des Zufalls Reiz bietet, so lange Gewinn im Spiele
lockt, so lange Glück im Wagen erobert werden kann, mit Einem Worte,
so lange Menschen leben, die Zeit und Mittel haben, um all' diesen Ver
führungen folgen zu können. Es wäre daher überflüssig, ja ganz zwecklos,
die Spiele und das Spielen überhaupt vertilgen zu wollen, denn da der
Begriff des Spiels an und für sich nichts Schlechtes enthält, so steht dieser
Gedanke auf einem unhaltbaren Boden. Was aber thun? Sott man die
Sache mit allen ihren bedenklichen Folgen sich selbst überlassen?
Man suche die Spiellust zu leiten und suche diejenigen Spiele, welche zu
Vergeudung des Besitzes oder der Ersparnisse durch Hoffnung auf hohe
Gewinne am meisten verleiten und die Sittlichkeit gefährden können, zu
unterdrücken. Hierunter dürften vor Allen Zahlen- und Classen-Lotterien
zu rechnen sein. Man eröffne dem Publikum nur solche Spiele, welche bei