H. 332. 1. Capitel. Gerade Linien und Winkel.
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eine Curve auch dadurch als entstehend sich vorstellen, daß ans
einer geraden Linie eine andere veränderliche (gewissermaßen
fließende), bald zu bald abnehmende, in immer paralleler Lage
sich fortbewege, wobei ihr Endpunkt einen zusammenhängenden Zug
bilden muß.
Auf eine ähnliche Weise wird jede krumme Fläche, wie in
ihrem Begriffe, so auch in der Darstellung auf eine Ebene bezogen,
indem man sie durch Angabe des veränderlichen Abstandes ihrer
Punkte von derselben zu bestimmen sucht. Offenbar kann diese Me
thode der räumlichen Bestimmung nicht minder auf ebene, als auf
krumme Flächen angewendet werden, und ist wegen dieser Allgemein
heit für die höhere Geometrie ein Mittel, jede Lage, Gestalt und
Krümmung einer Fläche anzugeben.
§. 331. Analytische Geometrie. Der Begriff von ver
änderlichen Größen — die eigentliche Grundlage für die Be
trachtungsweise der höheren Geometrie — fordert zur Unterscheidung
von der Vorstellung constanter oder unveränderlicher Größen, wo
für man schon in der elementaren Geometrie die Bezeichnung durch
Buchstaben zu gebrauchen pflegt, eine eigenthümliche Andeutung.
Man hat dazu die letzten Buchstaben des Alphabets gewählt,
die also hier nicht (wie in der Algebra) das Unbekannte, sondern
das Veränderliche bezeichnen, während die übrigen das Räumlich-
Unveränderliche arithmetisch darstellen. Diese Darstellungsart bringt
Arithmetik und Geometrie in die engste Verbindung, indem sie uns
gestattet, aus dem Zusammenhange der Zeichen auf denjenigen der
durch sie dargestellten Ra um for men und die Eigenschaften der krum
men Linien und Flächen, worauf sie sich beziehen, zu schließen. Die
hieraus hervorgehende analytische Betrachtungsweise erklärt den
Namen analytische Geometrie, womit die allgemeine Unter
suchung der Curven und krummen Flächen ebenfalls belegt zu wer
den pflegt.
Erstes Capitel.
Die geraden Linien und Winkel.
§. 332. Coordinaten. (Fig. 137.) Um die Lage irgend
eines Punktes lU in der Ebene MFm zu bestimmen, denke inan will
kürlich die gerade FX gezogen, nehme einen beliebigen Punkt A in
derselben an und fälle die Senkrechte NU auf AX. Diese Linie
heißt dann Ordinate, das von ihr abgeschnittene Stück AU Abs-
Trllkampf's Malheinatik. 4- Anfl. 25