7. Das Verhältnis zwischen Komplement- und Stammbruchbezeichnung.
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Wenn *V4 schlechtweg durch „die 3 Teile“ bezeichnet wird, so setzt
das, als selbstverständlich oder durch den Zusammenhang gegeben, einen
„vierten Teil“ voraus, der sie zu dem Ganzen vervollständigt, der dem
Ganzen fehlt, wie es in dodrans „ohne Viertel“ so deutlich ausgedrückt war.
Und umgekehrt: wenn V* als „der vierte Teil“ bezeichnet wird, so
wird es dadurch als Schlußglied einer Reihe von 4 gleichen Teilen hin
gestellt, dem also „drei Teile“, eben die 3 * * * A, vorausgehen.
Zu dieser Auffassung der Teile als einer Reihe von Gliedern paßt es
vortrefflich, wenn der Ägypter für „in 8 Teile teilen“ sagt „zu einer Acht-
heit machen“ oder „in eine Achtheit teilen“ (s. ob. S. 44). Aus dem einen
Ganzen wird jetzt eine Reihe von Teilen, in der „7 Teile“ ( 7 /s) dem „8ten“
(Vs) gegenüberstehen.
Durch unsern obigen Befund wird es nun klar, weshalb so viele
Sprachen, das Hebräische wie die indogermanischen Sprachen, die Brüche
gerade mit Ordinalzahlen und, wenn der Bruch kein gemischter Bruch ist,
ohne Angabe des Zählers bezeichnen, weshalb auch wir ebenso „der dritte
Teil“, „das Dritteil“, wie der Grieche xö ipirov, der Lateiner tertia pars,
der Hebräer „das Dritte“, der Ägypter „Teil 4“ d. i. „Teil Nr. 4“, sagen.
Alle Sprachen, die das tun, setzen eben das ursprüngliche Rechnen mit
Stammbrüchen voraus, wie es die Ägypter und die andern Völker des
Altertums tatsächlich an gewendet haben. Auch unsere germanischen Vor
fahren müssen also — der Schluß ist unabweislich — einst auf derselben
primitiven Stufe der Rechenkunst gestanden haben. Sonst wären unsere
Bruchbezeichnungen „das Drittel“, „der dritte Teil“ unverständlich.
Ich glaube, man kann aber noch einen weiteren Schluß aus unserm
Befunde ziehen. Die Bezeichnung der 3 U usw. (Komplementbrüche) nur
mit dem Zähler (xd öuo pepn) ist geradezu als Beweis dafür anzusehen,
daß die Völker, die sie anwendeten, wirklich noch nicht zu der Stufe des
Rechnens mit andern gemischten Brüchen aufgestiegen waren. Bei uns,
die wir diesen Schritt getan haben, ist eine derartige Bezeichnung völlig
undenkbar. Nur ein Volk, das noch nichts von 2 /s, 2 V, 2 /9 usw. ahnte,
konnte einen für unser Ohr so unbestimmt klingenden Ausdruck wie
„2 Teile“ allgemein als bestimmte und unmißverständliche Bezeichnung
für 2 /ä gebrauchen.
Andererseits sind die Benennungen, die wir den gemischten Brüchen
geben, zwei Drittel, fünf Siebentel, les trois qaarts'), Zeugnisse dafür, daß uns
Teile (aber nicht: „die zwei Teile“!), der andere den dritten Teil. In der Regel würden wir
aber auch dann eher dem „zwei Teile“ „einen Teil“ statt „den dritten Teil“ gegenüberstellen.
‘) Man beachte den Artikel, der noch ganz an das alte xd xpia pepr| erinnert und
auf das fehlende „vierte“ Viertel, eben le quart, hinweist. — Hierauf machte mich mein
Kollege Stimming freundlichst aufmerksam.