3. Spuren anderer Zählsysteme im Ägyptischen und die Zahlwörter von 30 bis 90. 25
kennen gelernt, die man in vielen Sprachen findet, und die mitunter inner
halb des Dezimalsystems eine Art „quinäres“ Zählsystem trägt l ).
Eine Erscheinung, die man ferner als Anzeichen eines solchen quinären
Systems im Ägyptischen ansprechen könnte, ist die Tatsache, daß die
Hieroglyphenschrift der griechisch-römischen Periode für die Zahl 5 ein
besonderes Zeichen verwendet, den fünfzackigen Stern * (vgl. Horapollon,
Hieroglyphica I 13), wie ja auch das römische und das ältere Ziffernsystem
der Griechen (die herodianischen Ziffern) für diese Zahl besondere Zeichen
besaßen (römisch Y, griechisch TT = Ttevie) 2 ).
Ganz wie bei den Römern werden die Einer von 6 bis 9 dann durch
Hinzufügung der passenden Zahl von Einerstrichen hinter diesem Stern
bezeichnet: * l = 6, *11=7, *111 = 8, *1111 = 9.
Diese Verwendung des Sternzeichens ist indes eine ganz junge Er
scheinung, die auf phonetischen Gründen beruht. Der stilisierte fünfzackige
Stern hatte seit alters als Zeichen für den Wortstamm dun „Morgen“
(„Morgenstern“, „am Morgen sein“, „das Morgengebet verrichten“) den
Lautwert dun. Infolge Wegfalles des \ in den verschiedenen Wortformen
dieses Stammes war das Zeichen im Laufe der Zeit zu dw entwertet und
wurde daher auf das gleichlautende Zahlwort die Ofoir) übertragen. Das
mochte denn wohl in den 5 Zacken des Sterns eine Unterstützung finden.
Spielereien ähnlicher Art sind den hieroglyphischen Inschriften der griechisch-
römischen Zeit, der der Gebrauch des * für 5 angehört, auch sonst nicht
fremd. So schreibt man beispielsweise das Bild des Kopfes ® für 7, weil
der Kopf 7 Löcher hat, die Sichel^ für 9, weil die Ziffer 9 im Hiera
tischen und Demotischen wie das Zeichen der Sichel aussieht, usw. 3 ).
Eine andere Spur eines quinären Zählsystems könnte man darin
sehen, daß in der koptischen Übersetzung von Epiphanios’ De gemmis der
Ausdruck 80 Stadien (octoginta milibus der alten lateinischen Übersetzung)
durch Td.ioiü' ü-cT*^icm „fünfzig-dreißig Stadien“ wiedergegeben wird 4 ),
einen Additionsausdruck, der an das französische soixante-dix für 70 erinnert.
Hier erscheint die Zahl 50 wie eine Grundzahl behandelt, von der man
neu zu zählen beginnt, wie es im dezimalen System sonst erst bei 100
geschieht. Man kann als Symptom derselben Anschauung die unregel
mäßige Bildung des Ausdrucks für 51 MÜ-om „fünfzig und eins“
statt des normalen t^iot-otc „fünfzig (und) eins“ ansehen, die sich in einem
andern alten koptischen Text, der „Pistis Sophia“, einmal findet. Sonst
*) Vgl. Pott, Die quinäre und vigesimale Zählmethode (Halle 1847). Derselbe, Die
Sprachverschiedenheit in Europa (Halle 1868).
2 ) Ebenso bei den Semiten, Lidzbarski, Handbuch der nordsemit. Epigraphik I S. 199.
3 ) Andere derartige Spielereien bei Brugsch, Ägyptologie S. 366/7.
4 ) Ztschr. f. äg. Sprache 47, 33.