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II. Kardinalzahlen.
ist aber nirgends eine Spur für eine solche Kölle der Zahl 50 im Ägyp
tischen oder Koptischen nachweisbar.
Unter diesen Umständen könnte man bei den obigen Ausdrücken an
Einfluß von außen denken. Es könnte das lateinische Ziffernsystem mit
seinem besonderen Zeichen L für 50 dafür verantwortlich gemacht werden.
Ja, jenes seltsame „50( + )80“ könnte man geradezu als irrige Übertragung
der Zahl LXXX einer lateinischen Handschrift ansprechen, wäre der kop
tische Text nicht aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem, uns übrigens ver
lorenen, griechischen Urtext übersetzt zu denken *)•
Jedenfalls enthält jene koptische Benennung der Zahl 80 etwas der
lateinischen Ziffernschreibung ganz Paralleles.
Yigesimales ? 80 = 4 • 20. %
Neben dieser Umschreibung für 80 läßt sich im Koptischen noch
eine andere nach weisen, die dem franz. quatre-vingts genau entspricht: qrov-
■xoviot „vier-zwanzig“. Man pflegt den französischen Ausdruck als Residuum*
der alten, bei den Basken und Kelten üblichen Vigesimalzählung anzu
sehen, die auf der Zahl der Finger und der Zehen beruht, und sich bei
vielen Völkern als Begleiter des nur von den Fingern ausgehenden Dezimal
systems nachweisen läßt.
In dem ägyptischen Falle kann von einer solchen Erklärung kaum
die Rede sein, da die bewußte Umschreibung vier-zwanzig“ für 80 erst
im Koptischen 2 ), also, nachdem die Sprache eine mehr denn 4 Jahrtausende
umfassende Geschichte auf demselben Boden durchlebt hat, plötzlich, ohne
jeden Vorläufer in der älteren Sprache, aus dem Boden hervorschießt.
Auch hier wird man wie bei der oben besprochenen andern Umschreibung
für dieselbe Zahl („fünfzig dreißig“) eher an Nachahmung eines fremden
Vorbildes oder aber an etwas durch die Natur Gegebenes, das sich selbst
verständlich ohne weiteres einstellte, denken.
Nimmt man die beiden koptischen Umschreibungen für 80 zusammen,
so ist daraus vielleicht nur das eine zu erschließen: eine gewisse Abneigung
gegen die Zahl 80 resp. gegen die hohen Zehnerzahlen überhaupt, wie sie
sich auch im Französischen äußern dürfte, wo ja nicht nur 80, sondern
auch 70 durch soixcmte-dlx und 90 durch quatre-vingt-dix umschrieben
werden.
‘) An die Wiedergabe einer griechischen Ziffer |a|AAA zu denken, wie mir Wacker
nagel vorschlug, verbietet wohl die Zeit des Epiphanios, zu der man diese alten Ziffern
längst nicht mehr anwendete.
*) Belegt nur in dem dem 3. Jahrhundert nach Chr. angehörenden gnostischen Buche
Pistis Sophia.