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Zweites Kapitel: Gegenstand und Aufgaben
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was der beobachtete Zusammenhang eigentlich bedeutet, worauf er
letzten Endes beruht. In den Fällen, wo die vom Statistiker erzielten
Ergebnisse für praktische Ratschläge und Entschlüsse verwertet wer
den, ist das halbe Wissen von Zusammenhängen, welche ohne Deutung
bleiben oder gar unrichtig gedeutet werden, oft schlimmer, als Nicht
wissen. Bei den Geburten, wo ein Arzt als Geburtshelfer tätig ist, pflegt
die Totgeborenenquote im Durchschnitte höher zu sein im Vergleich zu
denjenigen, welche von einer Hebamme ohne ärztliche Hilfe geleitet
werden. Derjenige Ehemann würde aber schlimme Erfahrungen machen,
welcher, von diesem statistisch festgestellten Zusammenhänge aus
gehend, in einem schweren Falle auf ärztlichen Beistand verzichtete.
Die russische Brandstatistik stellt einen Zusammenhang zwischen den
jährlichen Schwankungen der Zahlen der abgebrannten Gebäude und
der jeweiligen Ernte fest: in Jahren schlechter Ernten geht der Brand
schaden in die Höhe. Der Zusammenhang ist sehr scharf ausgeprägt.
Was hat er aber zu bedeuten ? Der Forscher, der ihn zuerst entdeckt hat,
hat gemeint, daß es sich um einen unmittelbaren Einfluß der Ernten
auf die Häufigkeit der Brände handelt. Wäre dies der Fall, so hätte
man in den Maßnahmen zur Hebung der landwirtschaftlichen Technik
der Bauern das beste Mittel zur Hand, gleichzeitig die kolossalen Brand
schäden zu mildern, welche die russische Volkswirtschaft ungeheuer
schwer belasten. Tatsächlich dürfte es sich jedoch vermutlich um etwas
anderes handeln, nämlich um den Zusammenhang der Ernte einerseits
und der Brandschäden anderseits mit den Witterungsverhältnissen des
Jahres. In den Gebieten, welche den Ernteausfall für Rußland bestim
men, sind nämlich trockene Jahre — Jahre schlechter Ernten, und die
Trockenheit begünstigt die Brände. Von der Hebung der landwirtschaft
lichen Technik hätte man demnach zwar bessere Ernten, aber schwerlich
geringere Brandschäden zu erwarten. Umfassende Untersuchungen,
welche von der Statistischen Zentralverwaltung von Sowjetrußland
unter der Leitung von N. Tschetwerikoff unternommen wurden, um
den Einfluß der meteorologischen Faktoren auf die Ernte in verschiede
nen Gebieten Rußlands klarzulegen, haben unter anderem einen merk
würdigen Zusammenhang aufgedeckt zwischen der Ernte des Winter
getreides und der Regenmenge in der Zeit einige Wochen vor der Aus
saat. Der Zusammenhang kann sowohl auf die Einwirkung des Regens
auf die Bodenbeschaffenheit, wie auf den schädigenden Einfluß des
regnerischen Wetters auf die zur Aussaat später verwendeten Samen
zurückgehen. Wird durch die weiteren statistischen und agronomisch
experimentellen Untersuchungen die zweite Erklärung bestätigt, so
wird man durch Vorsorge für besseres Samenmaterial die Ernten bessern
können. Bei der anderen Deutung des Zusammenhanges wären aber
ganz andere Maßnahmen am Platze.
Fragt man nun, wie die Aufgaben zu lösen sind, mit welchen der
Forscher zu tun hat, falls es sich um nicht-unzerreißbare Zusammen