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§ 4] und funktioneller Zusammenhang
Unabhängigkeit im sonst geläufigen kausalen Sinne in eigenartigen Be
ziehungen steht. Es seien z. B. sechs mit weißen und schwarzen Kugeln
gefüllte geschlossene Urnen gegeben, welche die Nummern 1, 2, 3, 4,
5 und 6 tragen. Durch das Werfen eines Würfels wird bestimmt, aus
welcher Urne Ziehungen vorgenommen werden sollen: wird 3 geworfen,
so werden Kugeln aus der Urne Nr. 3 gezogen usw. Die Zahl der aus
der Urne zu ziehenden Kugeln — n — bleibt konstant. Die relative
Zahl der gezogenen weißen Kugeln, welche n + 1 verschiedene Werte,
1 2
•— nämlich 0, . . . usw. bis 1 — annehmen kann, und die geworfene
Zahl sind zwei stochastisch verbundene zufällige Variablen. Sind die
Quoten der weißen Kugeln in den einzelnen Urnen verschieden, so sind
die beiden Variablen nicht unabhängig voneinander. Sind die Quoten
alle gleich, so sind die beiden Variablen gegenseitig unabhängig im Sinne
unserer Definition. Der ursächliche Mechanismus, der die Vorgänge zu
sammenknüpft, weist jedoch in diesen beiden Fällen keine allzu tief
einschneidenden Unterschiede auf. Diese eigentümliche Konstruktion
des spezifischen Begriffs der stochastischen Unabhängigkeit, mit wel
chem die Korrelationstheorie operiert, muß stets bei der Interpretierung
der Ergebnisse der Korrelationsmessung auf das aufmerksamste be
achtet werden. Sonst kommt man zu Schlüssen, welche weit aus dem
Kähmen der Kompetenz der statistischen Korrelationsforschung fallen,
und verwickelt sich in Widersprüche, welche das statistische Verfahren
kompromittieren.
Von anderen Unabhängigkeitsbegriffen, welche für die Korrela
tionstheorie von Wert sind, will ich nur den Pearsonschen ursprüng
lichen Begriff des Nicht-Korreliertseins erwähnen. Pearson nennt die
Variable Y korreliert mit X, falls die bedingte mathematische Erwartung
von Y verschiedene Werte annimmt für verschiedene Werte von X;
bleibt hingegen die bedingte mathematische Erwartung von Y konstant
bei allen Werten von X, so heißt Y nicht-korreliert mit X. Das Nicht-
Korreliertsein der Variablen Y mit der Variablen X findet also seinen
Ausdruck darin, daß die Regressionslinie von Y in bezug auf X, welche
die bedingte mathematische Erwartung von Y als Punktion des Wertes
von X graphisch darstellt, parallel zur X-Achse verläuft; ist die Regres
sionslinie von Y in bezug auf X keine der X-Achse parallele Gerade, so
ist Y mit X korreliert.
Dieser Begriff der Nicht-Korreliertheit ist für die Korrelationslehre
von erheblichem Wert, und wir werden ihn häufig zu gebrauchen haben.
Von der stochastischen Unabhängigkeit im obigen Sinne ist er genau
zu unterscheiden. Ist die Variable Y stochastisch unabhängig von X,
so kann sie nicht korreliert mit X sein im Sinne der Pearsonschen
Definition. Daraus aber, daß Y mit X nicht korreliert ist, folgt nicht,
daß Y von X stochastisch unabhängig sei: es kann nämlich die bedingte